Adventskalender 2020

Geschichte in 24 Bildgeschichten

Wie jedes Jahr archiviere ich hier den Adventskalender, der 2020 auf Instagram und Facebook veröffentlicht wurde. Mich haben so liebe Nachrichten erreicht und ich bin sehr glücklich, dass er wieder so vielen Leuten Freude gemacht hat. Danke für diese tolle Resonanz! ⁣

Das Thema für 2020 lautete „Geschichte in 24 Bildgeschichten“. Wir beschäftigen uns mit historischen Bildern, die wiederum historische Momente zeigen. Das Historiengemälde im engeren Sinne hatte seine Hochphase im 19. Jahrhundert – wir werden noch sehen, weshalb. Aber nicht alle Bilder stammen aus dieser Zeit, denn die Darstellung von Geschichte ist beinahe so alt wie die Geschichte selbst. Mich fasziniert die Historienmalerei aufgrund ihrer Vielschichtigkeit: Einerseits wird ein historisches Ereignis (oft anhand einer wichtigen Figur) verbildlicht, andererseits lassen die Künstler stets die aus ihrer eigenen Zeit geprägten Werte und Deutungen einfließen oder verstecken unter dem metaphorischen Deckmantel der Historizität brisante politische Aussagen. Eins ist klar: Ideologie steckt fast immer mit drin. Und ganz oft verschwimmt das Dargestellte auch mit Legenden, mythologischen oder biblischen Themen und Anekdoten oder Klischees. Dadurch prägen sich oft Ereignisse ins kulturelle Gedächtnis ein, die so gar nicht sicher überliefert sind. Denn ein Historienbild ist keine Momentaufnahme, kein Foto, keine Dokumentation – sondern immer eine verdichtete und zugespitzte Deutung, ein Geschichtsbild. ⁣

Hinter jedem Türchen wartet also nicht nur ein Gemälde, sondern auch ein Versuch, diese vielfältigen Verwicklungen aufzudröseln und sowohl über das jeweilige historische Ereignis als auch die Darstellungsweise zu sprechen. Dabei konzentriere ich mich auf Bilder von europäischen Malern und primär die europäische Geschichte, weil ich mich damit schlichtweg am besten auskenne. Ich hoffe, dass euch der Adventskalender gefällt und ihr viel Spaß an den 24 Bildgeschichten habt. Und wenn ihr den Adventskalender im nächsten Jahr nicht verpassen wollt, abonniert am besten meine Kanäle bei Instagram und Facebook!

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Türchen 1: Hier stehe ich, ich kann nicht anders

~ Anton von Werner, Luther vor dem Reichstag in Worms, 1877 ~

Wer kennt ihn nicht, den berühmten Satz von Martin Luther, der auf dem Reichstag zu Worms 1521 gefallen sein soll! Mit seinen Angriffen auf die päpstliche Autorität hatte er sich beim neugewählten Kaiser Karl V. nicht beliebt gemacht. Bevor der ihn mit der Reichsacht belegte, sollte er jedoch Gelegenheit zum Verhör bekommen (lies: Gelegenheit, seine Thesen zurückzunehmen). Wie wir wissen, tat Luther das nicht, sondern berief sich auf die Bibel und sein Gewissen, zugespitzt auf den Satz „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Dieser Moment ist im Gemälde festgehalten.

Inhaltlich stimmt die kolportierte Aussage zwar halbwegs, Luthers wirklich überlieferte Aussage war aber komplexer und ist in den Kommentaren nachzulesen. Es ist typisch für solche historischen Zitate, dass sie im Nachgang verkürzt und vereinfacht werden, um einprägsamer zu sein. Im Bild Anton von Werners wird Luther eindeutig als Lichtgestalt gezeigt, die inmitten der edlen Herren ihren Standpunkt vertritt – und als Nationalheld inszeniert. Kurz nach der Gründung des wilhelminischen Kaiserreichs wurde hier ein nationaler Geschichtsmythos festgehalten. Luther hatte mit seiner „rhetorischen Glanzleistung“ (H. Schilling) jedenfalls Erfolg: Karls Gegenargument war lediglich, dass sich wohl ein einzelner Mönch irren müsse, wenn seine Meinung von der mehr als tausendjährigen Lehre der Christenheit abweiche. Blöderweise waren die Fürsten des Reiches auch schon geteilter Meinung, sodass man sich nicht auf ein konsequentes Vorgehen gegen Luther einigen konnte. Der Mönch wurde nach einer fingierten Entführung von Friedrich dem Weisen auf der Wartburg versteckt und die Reformation ging munter weiter.⁣

Luther am 18. April 1521 in Worms: „So bin ich durch die von mir angeführten Schriftworte bezwungen. Und so lange mein Gewissen durch die Worte Gottes gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helf mir. Amen.“1

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Türchen 2: In Wohlgefallen aufgelöst

~ Giovanni Battista Tiepolo, Das Bankett der Cleopatra, 1744] ~

Im Altertum soll die ägyptische Königin Kleopatra mit Mark Anton gewettet haben, den Wert von 60 Millionen Sesterzen in einer Mahlzeit verspeisen zu können. Mark Anton wettete natürlich dagegen. Da nahm die Pharaonin eine wunderschöne Perle aus ihrem Ohrschmuck, löste sie in einem Glas Essig auf und stürzte das Gebräu herunter. Wette gewonnen! Das Bankett der Kleopatra ist ein beliebtes Motiv für Gemälde, denn die Pharaonin und auch die Antike selbst verkörperten für die Menschen späterer Zeit Überfluss und Dekadenz. Sie wird uns auch hier im Adventskalender noch öfter begegnen.⁣

Aber hättet ihr ohne die Beschreibung erkannt, dass die Frau auf dem Bild Kleopatra sein soll? Ich nicht: Die Architektur im Hintergrund erinnert an griechisch-römische Vorbilder und die Kleidung hat mit dem Land der Pharaonen erst recht nichts zu tun, dafür aber sehr viel mit der Lebenszeit des Malers Tiepolo. Hier sieht man, dass zwar das Motiv rund um die Perle der alten Legende entstammt, die Visualisierung aber nach den Maßstäben der Enstehungszeit des Gemäldes erfolgt. Es ging Tiepolo also nicht darum, eine realistische Rekonstruktion der legendären Episode zu schaffen, sondern um eine kunstfertige Interpretation des bekannten Motivs. Eine Variante des Bildes malte er zwei Jahre später als Fresko für die venezianische Patrizierfamilie Labia, die damit vielleicht auch auf ihren großen Reichtum hinweisen wollte. Kleopatra steht als Figur gewissermaßen über ihrem historischen Vorbild und kann problemlos in einen anderen Zeitkontext versetzt werden. Durch die ikonische Geste erkennen wir die Figuren des Bildes trotzdem. Naja, und durch Mark Antons auffälligen Helm vielleicht auch. ⁣

Mehr über die Perle, die übrigens auch Schönheit und Reinheit symbolisierte, erfahrt ihr übrigens im Artikel über „Die Perlenfischerin“.

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Türchen 3: Der Künstler und der Ritterkönig

~ Jean-Auguste-Dominique Ingres, Tod von Leonardo da Vinci, 1818 ~⁣

Es ist eine anrührende, beinahe romantische Szene, die wir hier sehen: Der große Renaissancekünstler Leonardo da Vinci stirbt in den Armen seines letzten Gönners, Franz I. von Frankreich. Der Hintergrund: Franz war in jeder Hinsicht ein Fürst der Renaissance und machte sich nicht nur auf dem Schlachtfeld (mit wechselndem Erfolg), sondern auch als Förderer der Kunst einen Namen. Er sah sich gerne als Roi Chevalier, als Ritterkönig mit den entsprechenden Tugenden. Sein größter Coup in dieser Hinsicht war, dass er Leonardo da Vinci an seinen Hof holte. So gelangte übrigens auch die berühmte Mona Lisa in französischen Besitz, denn Leonardo nahm sie mit. Von 1517 bis 1519 lebte da Vinci also in Amboise, malte und tüftelte, schuf beispielsweise auch Kulissen für Franz‘ höfische Feste: was für ein Prestigegewinn! Doch der fast Siebzigjährige tat nach guten zwei Jahren um Ostern herum den letzten Atemzug. Einigen Quellen zufolge soll Leonardo in den Armen seines Königs verstorben sein. Das passt natürlich famos zum Image des Ritterkönigs, dem die Künste über alles gehen. Ganz ähnlich soll übrigens Papst Leo X. an Raffaels Sterbebett zusammengebrochen sein. Das wissen wir von Giorgio Vasari, dem wir eine ganze Menge Künstlerstories zu verdanken haben. Im Beisein des Königs zu sterben ist wohl eine angemessene Ehre für einen fast vergöttlichten Maler. Blöd nur: Am Todestag Leonardos befand sich Franz nicht in Amboise, sondern nachweislich im 200 Kilometer entfernten St. Germain-en-Laye.⁣

Knapp 300 Jahre später verewigt der Maler Ingres hier also nicht eine authentische Szene, sondern seine Vorstellung, wie es hätte sein können. Und zumindest der Kern ist ja wahr: Mit Sicherheit hat Franz um den großen Künstler getrauert, was Ingres zu diesem dramatischen letzten Moment verdichtet. Ein Ereignis also, das so nicht stattgefunden hat, aber ganz wunderbar in unser Bild von Leonardo passt. Zu schön, um wahr zu sein!

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Türchen 4: Selbstkrönung

~ Jacques-Louis David, Die Krönung Napoleons, 1805/7 ~

Vom Kaiser der Franzosen existieren zahlreiche Historienbilder, denn sein kometenhafter Aufstieg ist wirklich beachtlich. Im Zuge der Revolution, die immerhin die Monarchie abschaffte, kletterte der kleine korsische General die Ränge immer weiter hinauf, putschte sich zum Diktator und setzte sich schließlich auf den Kaiserthron. Seine Krönung wird von Jacques-Louis David in Szene gesetzt, der zuvor bereits für das französische Königshaus gemalt hatte und sich nun nicht scheute, dem Kaiser zu ikonographischer Propaganda zu verhelfen. Im dargestellten Augenblick setzt Bonaparte, nachdem er sich selbst gekrönt hat, seiner Gattin Joséphine die Krone auf. Die hatte als ehemaliges It-Girl zu seinem gesellschaftlichen Aufstieg beigetragen; da er als Kaiser aber einen leiblichen Erben brauchte, war er flexibel genug, sich später wieder von ihr scheiden zu lassen. Sich selbst zu krönen, ist wohl die deutlichste Form der Machtergreifung. Dem dafür eigentlich anwesenden Papst Pius VII. bleibt nichts anderes übrig, als dekorativ im Hintergrund zu sitzen und segnende Worte zu sagen.⁣

Es ist anzunehmen, dass David die Ausstattung und die Personen einigermaßen realitätsgetreu dargestellt hat. In einem Punkt hat er sich aber Freiheiten genommen: Auf der niedrigen Empore mittig im Bild ist Napoleons Mutter Letizia zu sehen, die mütterlich über die Szene wacht. Sie war bei der Krönung aber gar nicht anwesend, um ihren Unmut über einen Streit zwischen Napoleon und seinen Brüdern zu demonstrieren. Aber ob sie wollte oder nicht, für die Nachwelt wurde sie mit verewigt. Das Bild befindet sich übrigens im Louvre und ist mit 10×6 Metern (!) wirklich monumental. Bei der Verherrlichung des neuen Kaisertums sparte David nicht, nach Napoleons Sturz war es dann allerdings mit seiner Karriere auch vorbei.⁣

Buchtipp: Die Joséphine-Trilogie von Sarah Gulland.⁣

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Türchen 5: Auch du, mein Sohn

~ Vincenzo Camuccini, Der Tod Cäsars, 1804/5 ~

Ähnlich wie Napoleon häufte auch Cäsar so viel Macht an, dass man die Herrschaft gewaltsam beendete. Der durchaus talentierte Feldherr erlangte im Zuge des Römischen Bürgerkriegs die alleinige Macht und ließ sich zum Diktator auf Lebenszeit ernennen. (Diktator bedeutete damals noch etwas anderes als in unserem heutigen Verständnis, war aber ein sehr mächtiges Amt.) Höher hinaus hätte er nur als König gekonnt, und das war den Römern zuwider. Viele Senatoren fürchteten eine Tyrannei, andere hatten wohl noch Rechnungen mit ihm offen. Sein Vertrauter Marc Anton wurde abgelenkt, eine schriftliche Warnung erreichte ihn nicht. Obwohl er eine Bedrohung zumindest erahnt haben muss, ging Cäsar am 15. März 44. v. Chr. zu der Senatssitzung, bei der er ermordet wurde. Die insgesamt gut 60 Eingeweihten brachten ihm über 20 Dolchstiche bei. Danach versank Rom im Chaos, und aus dem Bürgerkrieg zwischen Marc Anton (remember Kleopatra?) und Octavian ging der Letztere siegreich hervor und begründete als Augustus das römische Kaisertum. Die Begriffe „Kaiser“ und auch „Zar“ gehen auf Gaius Iulius Cäsar zurück.⁣

Seine letzten Worte soll Cäsar an Brutus, eine Art Ziehson, gerichtet haben: „Auch du, mein Sohn“, sagte er angeblich, als auch Brutus ihm einen Dolchstoß beibrachte. Ob das stimmt, werden wir nie wissen. Die Iden des März jedenfalls, das schicksalhafte Datum von Cäsars Ermordung, sind als Metapher für ein bevorstehendes Unheil in den Sprachgebrauch eingegangen.⁣

Buchtipp: Die Cicero-Reihe von Robert Harris und „Augustus“ von John Williams.⁣

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Türchen 6: Die 9-Tage-Königin

~ Paul Delaroche, The Execution of Lady Jane Grey, 1844 ~

Wir sehen die Hinrichtung von Lady Jane Grey, 1554. Sie gehörte dem höchsten englischen Adel an: Ihre Großmutter war die Schwester von Henry VIII., womit Jane in der Thronfolge direkt hinter Henrys legitimen Kindern stand. Nur war die Frage nach seinen legitimen Kindern sehr umstritten. Allgemein akzeptiert war nur der Sohn Edward. Wegen seiner wirren Scheidungen war das bei den Töchtern Mary und Elizabeth weniger eindeutig, zudem spaltete die Glaubensfrage die Unterstützer. Als der protestantische Edward jung im Sterben lag, stand Mary bereits in den Startlöchern, um den Katholizismus wieder einzuführen. Deshalb änderte Edward rasch sein Testament: Jane sollte ihm nachfolgen. Praktischerweise hatte ihr Schwiegervater die Regierungsgeschäfte in der Hand und proklamierte die gerade 16-Jährige zur Königin.⁣

Doch man hatte die Rechnung ohne Mary gemacht – und ohne das Volk. Denn bei dem war Mary durchaus beliebt. Obwohl Janes Fraktion ursprünglich eine Armee hinter sich hatte, zerstreute sich deren Loyalität rasch und Mary war nebst Anhängern auf dem Weg nach London. Jane akzeptierte ihre Absetzung, wurde aber dennoch im Tower inhaftiert und wegen Hochverrats angeklagt. Zwar beabsichtigte Mary eine Begnadigung, doch eine weitere protestantische Rebellion ließ Jane zu gefährlich werden. Im Alter von 16 Jahren, nachdem sie 9 Tage lang Königin gewesen war, wurde sie hingerichtet und zur protestantischen Ikone stilisiert. Im 19. Jahrhundert wurde sie als naiv und unschuldig interpretiert, als Spielball der ehrgeizigen Familie. Dabei war sie kein passives Mädchen: Sie war selbstbewusst, die wohl am höchsten gebildete Frau Englands und stand sehr aktiv hinter der protestantischen Sache.⁣

Delaroche malte mit Vorliebe Hochadelige im Augenblick ihrer Hinrichtung, was vermutlich dem Eindruck der erst kurz vergangenen französischen Revolution geschuldet war und auf die politischen Umbrüche seiner Zeit hinweist. Die weiß gekleidete Jane ist schön und unschuldig. Trotz ihrer Gefasstheit soll sie im letzten Moment den Richtblock nicht gefunden haben und musste geleitet werden.

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Türchen 7: Ein Akt der Emanzipation?

~ Nicolas Poussin, Der Raub der Sabinerinnen, 1637/38 ~

Hier haben wir es mal mit einem Bild aus der Barockzeit zu tun, auch wenn Nicolas Poussin etwas weniger pompös daherkommt. Sein Werk ist gekennzeichnet von der Beschäftigung mit dem Humanismus und der Antike. Obwohl er in Paris eine Anstellung am königlichen Hof hatte, wirkte er lieber eigenständig in Rom. Das Bild zeigt den Raub der Sabinerinnen, eine römische Legende: Nach der Stadtgründung durch Romulus mangelte es Rom an Frauen. Eine List wurde angewandt und die Bewohner der Umgebung vom Volk der Sabiner zu einem Fest eingeladen. Mitten in einer Aufführung stürmten römische Soldaten die Szene, schlugen die männlichen Gäste in die Flucht und kidnappten alle unverheirateten Frauen. Diese Sabinerinnen fanden die römischen Männer dann doch nicht so blöd (es ist ja auch eine römische Legende…) und heirateten sie bereitwillig. Wenig später aber rückten die Sabiner mit Verstärkung an, um ihre Frauen zurückzuholen. Da aber sollen sich die Sabinerinnen dazwischengestellt und um ein Ende der Kämpfe gebeten haben, denn ansonsten würden sie auf der einen Seite ihre Väter und Brüder und auf der anderen ihre Männer und Kinder sterben sehen. Dadurch verbrüderten sich die Römer mit den Sabinern und vereinten sich zu einem Herrschaftsgebiet.⁣

Seither ist der Raub der Sabinerinnen ein beliebtes Kunstmotiv gewesen. Obwohl den Frauen hier eine tragende Rolle zukommt, wird ihre Weiblichkeit mit Frieden, Schutz und Familie verbunden. Interessant an den Gemälden von Poussin ist die Verschmelzung von Historie und Mythologie. Poussin bildet die Architektur, die Kleidung und auch die Waffen sehr realistisch ab und lehnt sich stark an antike Darstellungen an, die er in Rom auch studierte. Der Stoff selbst allerdings gehört ins Reich der Sagen. Das war auch Poussin und seinen gelehrten Zeitgenossen sicherlich schon klar. ⁣

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Türchen 8: Zwei verzweifelte Liebende

~ Eugène Ernest Hillemacher, Der sterbende Antonius wird zu Kleopatra gebracht, 19. Jhd. ~

Marc Anton und Kleopatra gelten als das vielleicht tragischste Liebespaar der Antike. Nach Cäsars Tod taten sich die beiden gegen Octavian zusammen. Viele Berichte über das ausschweifende Leben der beiden gehören wohl ins Reich der Legenden, doch dass Antonius der Herrscherin einigermaßen verfallen war, stimmt wohl. Gegen Octavian standen sie allerdings auf verlorenem Posten, nach der Schlacht bei Actium war die Nachfolge Cäsars entschieden. Dennoch gaben beide nicht auf und versuchten, ihre Kinder als Regenten Ägyptens einsetzen zu lassen und selbst ins Exil zu gehen. In einer letzten Schlacht in der Nähe Alexandrias wurden Marc Antons letzte Truppen endgültig besiegt. Der Rest der Geschichte, sofern sie stimmt, erinnert an Romeo und Julia: Marc Anton erhielt eine falsche Botschaft vom Selbstmord Kleopatras, woraufhin er sich in sein Schwert stürzte. Sie lebte aber noch und hatte sich in ihrem Mausoleum verschanzt. Er ließ sich dorthin bringen und wurde sterbend an Seilen in ihre Gemächer gezogen, sodass er in ihren Armen starb. Diese Szene stellt Eugène Ernest Hillemacher romantisch verklärend dar. Es ist vollkommen unmöglich zu sagen, ob sich das tragische Ereignis genau so zugetragen hat, wie es die antiken Quellen erzählen. Zumindest die Selbsttötung im Einklang mit Marc Antons Selbstverständnis als Soldat ist sehr plausibel.⁣

Bemerkenswert an Hillemachers Bild ist neben der Dramatik des Stoffs auch, wie detailliert er die ägyptische Architektur darstellt. Im 19. Jahrhundert war nach dem Ägyptenfeldzug Napoleons eine regelrechte Begeisterung für das mysteriöse Pharaonenreich und den „Orient“ entflammt, was die Themenwahl vieler Gemälde erklärt. Neben der Darstellung der legendären oder vermeintlich historischen Ereignisse war es den Künstlern deshalb oft ein Anliegen, die fremdartige Architektur möglichst monumental abzubilden.

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Türchen 9: Unglück oder Mord

~ William Frederick Yeames, Amy Robsart, 1877 ~

Eine schöne, junge und sehr tote Frau liegt am Fuße einer Treppe, natürlich leicht bekleidet. Wer hier eine typische Schauerfantasie des viktorianischen Zeitalters erkennen will, liegt nicht falsch: William Frederick Yeames liebte ambivalente Bilder, die verschiedene Deutungen des Gezeigten zulassen und an Dramatik nicht sparen. Und er hatte ein Faible für die Zeit der Tudors und der Stuarts. Das Gezeigte geht auf einen realen, rätselhaften Todesfall zurück: den der Amy Robsart, Ehefrau von Robert Dudley.⁣

Robert Dudley (als eitler Gockel aus dem letztjährigen Adventskalender bekannt) war der Favorit und möglicherweise Geliebte von Königin Elizabeth I. Die Zeitgenossen spekulierten früh über mögliche Heiratsabsichten der Königin gegenüber Dudley, allerdings stand dem Vorhaben dessen Ehefrau Amy im Weg. Und die starb 1560 unter ungeklärten Umständen bei einem Treppensturz. What a coincidence! Bis heute ist vollkommen unklar, ob sie sich hinuntergestürzt hat, ob sie wegen einer unbekannten Krankheit so geschwächt war, dass sie fiel, oder ob jemand (also Dudley oder gar die Königin) nicht womöglich nachgeholfen hat. Ironischerweise war es gerade Amys Tod, der die geplante Heirat verhinderte: Robert war zwar wieder „frei“, Elizabeth konnte sich aber unter keinen Umständen mit dem Skandal von Amys Tod in Verbindung bringen. (Dass Robert dann eine ihrer Hofdamen heiratete, nahm sie ihm aber ziemlich übel.)⁣

Auch mich fasziniert der Fall offen gestanden, weil es verschiedene, ähnlich plausible Erklärungen gibt und es sehr schwer zu beurteilen ist, welche Variante die wahrscheinlichste ist. Besonders im 19. Jahrhundert rückte der Roman „Kenilworth“ von Walter Scott die mögliche Schuld Dudleys wieder in den Fokus. Und erst 2008 wurde der Untersuchungsbericht von 1560 in einem Archiv entdeckt, der jedoch keine eindeutige Erklärung unterstützt. ⁣

Näheres darüber und über den tollen Roman „Im Schatten der Königin“ von Tanja Kinkel erfahrt ihr in meinem Artikel.

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Türchen 10: Und sie dreht sich doch

~ Joseph Nicolas Robert Fleury, Galileo Galilei vor der Inquisition im Vatikan 1632, 1847 ~

Galileo Galilei ist wohl den meisten ein Begriff: Universalgelehrter, von der Inquisition verfolgt, ein Begründer der modernen Naturwissenschaft. Zunächst unter der Protektion des Papstes Urban VIII. schrieb Galileo über das kopernikanische Weltsystem: Keineswegs stehe die Erde im Mittelpunkt und werde von der Sonne umkreist, sondern die Erde kreise um die Sonne. Ketzere?! Berühmt geworden ist eben jene Darstellung von Galileo vor der Inquisition, wo er seine These widerruft, um dem Scheiterhaufen zu entgehen, und beim Hinausgehen leise murmelt „Eppur si muove“, „Und sie dreht sich doch!“. Entgegen der seither kolportierten Erzählung, die Erde im Mittelpunkt des Universums sei der buchstäbliche Dreh- und Angelpunkt des Prozesses gewesen, war das wirkliche „Problem“ der Kirche ein anderes.⁣

Denn was wirklich gefährlich war: Mit der Darstellung des heliozentrischen Weltbildes in seiner Gesamtheit warf Galileo auch das Weltbild der aristotelischen Philosophie über den Haufen. Auf dieser Philosophie baute aber ein wesentlicher Teil der kirchlichen Lehre und Sakramente, etwa das Konzept der Dreifaltigkeit und des Abendmahls, auf. DIe Kirche konnte es sich schlicht nicht erlauben, mit der Akzeptanz von Galileos naturwissenschaftlichen Schriften das Einfallstor für weitere Fundamentalkritik zu öffnen.⁣

Die Zuspitzung auf die Frage nach der Erddrehung und seinen fast schon trotzigen Ausspruch zeigt wieder die Vereinfachung, mit der Galileos Geschichte ins kollektive Gedächtnis einging, um den Inquisitionsprozess plakativer und eingängiger zu machen. Er wurde erst 1992 von der katholischen Kirche offiziell rehabilitiert.⁣

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Türchen 11: Entdeckermythen

~ John Vanderlyn, Landung des Kolumbus, 1847 ~

Dass Historiengemälde oft genutzt wurden, um eine bestimmte Vergangenheitsvorstellung und/oder ein nationales Selbstverständnis zu zementieren, wurde bereits mehrfach angedeutet. Sehr augenfällig wird dies am heutigen Beispiel: Das Gemälde zeigt die Landung von Christoph Kolumbus auf der Insel Guanahani, aus eurozentrischer Perspektive unrichtig als „Entdeckung Amerikas“ bezeichnet. Das entsprechende Sendungsbewusstsein wird an der heroischen Pose Kolumbus‘ deutlich. Die indigenen Bewohner der Insel sind an den Rand gedrängt, unbekleidet und beugen sich der Landnahme. Leider wissen wir, was diesem Ereignis folgte: Unterdrückung, Sklaverei, gewaltsame Missionierung und eine Kolonialgeschichte, deren Folgen wir bis heute deutlich spüren. ⁣

Im populären Geschichtsbild war Kolumbus von diesen Gräueln oft eher ausgenommen, wurde als wagemutiger Entdecker betrachtet, der für die Aktivitäten der ihm nachfolgenden Eroberer wenig konnte. Auch das ist jedoch eher Verklärung, denn Kolumbus selbst hatte ganz handfeste Interessen, die man auf „Ressourcen“ und „Macht“ runterbrechen kann. In seinem ersten Brief – er wähnte sich in Asien – beschrieb er nicht nur, wie selbstverständlich er die Inseln (bewohnt, aber ohne zivilisierte Verwaltung) für das spanische Königspaar in Besitz genommen hatte, sondern auch, welche Schätze (Gold, Gewürze, Hölzer) er vorgefunden hatte. An mehreren Stellen betont er die Friedlichkeit der Bewohner und deren „große Intelligenz und Scharfsinn“. Gleichzeitig hebt er jedoch ganz ungerührt hervor, dass sie keine Waffen besäßen, somit leicht zu kontrollieren seien und dass man sie gut zum Christentum bekehren könnte. Nun könnte man wohlwollend unterstellen, dass dies der religiösen Überzeugung seiner Zeit entsprach und er ein Interesse hätte, diese als verloren betrachteten Seelen zu erretten. Wenige Absätze zuvor kündigte er aber bereits an, „so viele heidnische Sklaven, wie Ihren Majestäten zu verlangen gefallen wird“ nach Spanien zu schaffen. In seinen späteren Briefen lässt er diplomatische Freundlichkeit vollends fallen und spricht von barbarischen Kannibalen.

Im ersten Brief wusste Kolumbus wohl selbst noch nicht, wie er seine Eroberung und den Widerspruch „christianisierte Untertanen“ vs. „heidnische Sklaven“ rhetorisch verkaufen sollte. Definitiv legte er aber den Grundstein für die vernichtenden Eroberungszüge der Spanier und die Kolonialisierung von Süd- und Nordamerika.⁣

Zitate aus: Kolumbus, Der erste Brief aus der Neuen Welt, übers., komm. u. hrsg. v. Robert Wallisch, Reclam.⁣

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Türchen 12: Ein Schierlingsbecher für die Demokratie

~ Jacques-Louis David, Der Tod des Sokrates, 1787 ~
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Sokrates gilt als einer der Hauptbegründer der abendländischen Philosophie – dabei hinterließ er keine schriftlichen Werke. Mit seinem erbarmungslosen Fragestellen verhalf der Grieche seinen Gesprächspartnern zur Einsicht: Eine Technik, die man in Anlehnung an die Geburtshilfe „Maieutik“ (= Hebammenkunst) nannte. Bevorzugt philosophierte er auf dem Marktplatz von Athen und zog sich dabei auch den Unmut mancher Bürger zun. Er machte sich vor allem auch deshalb Feinde, weil er sich politisch engagierte und mit seiner Gesprächstechnik auch ambitionierte Politiker aufs Glatteis führte. Dass zwei seiner Schüler, die klare Herrscherambitionen hegten, sich ganz und gar nicht im Sinne der Demokratie verhielten, mag weiter dazu beigetragen haben. Er wurde 399 wegen Gottlosigkeit und des Verderbens der Jugend angeklagt. ⁣⁣
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Die Details zu seinem Prozess und seinem Tod sind nicht eindeutig überliefert. Es heißt aber, dass Sokrates seinen Anklägern auf die altbewährte Weise vorgeführt habe, dass er im Recht sei: Durch geschicktes Fragen stellte er sie bloß und zeigte seine Unschuld auf. Trotzdem wurde er mit knapper Mehrheit zum Tode verurteilt. Sicherlich trug es zu seinem Nachruhm bei, dass er sich dem Urteil nicht widersetzte und „aus Respekt vor den Gesetzen“ auch keine Flucht in Erwägung zog. So habe er den vergifteten Schierlingsbecher gefasst getrunken.⁣⁣
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Ganz im Sinne der Aufklärung malt Jacques-Louis David den Tod des Sokrates 1787 (im Dienste Napoleons nahm er es mit den demokratischen Idealen ja nicht mehr so genau, wie wir wissen). Während seine Anhänger und Schüler weinen und er seine wehklagende Frau Xanthippe sogar wegschicken ließ, nutzte Sokrates auch noch die allerletzten Minuten seines Lebens für philosophische Lektionen.⁣⁣

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Türchen 13: 40 Jahrhunderte Geschichte

~ Baron Antoine-Jean Gros, Pyramidenschlacht, 1810 ~

Mit Propaganda auf allen um 1800 verfügbaren Kanälen kannte sich Napoleon wirklich aus. Noch bevor er zum Kaiser wurde, wusste er seine Erfolge (und die Misserfolge) als General entsprechend zu verkaufen. Ein Beispiel ist die vielfach in Szene gesetzte Schlacht bei den Pyramiden, die am 21. Juli 1798 stattfand. Wir haben ja bereits gehört, dass der Ägyptenfeldzug, der auch von einer Forscherkommission begleitet wurde, das Interesse am alten Ägypten und dem „Orient“ in Europa befeuerte. Gerade die Pyramiden eigeneten sich natürlich als perfekte Kulisse für die Inszenierung einer bedeutenden Schlacht, auch oder gerade weil der Sieg gegen die Mamelucken, den die Franzosen dort errangen, auf lange Sicht nichts brachte: Nur 10 Tage päter siegten die Briten ihrerseits in der Seeschlacht bei Abukir und Napoleon musste sich zurückziehen.⁣

Bereits der Titel „Schlacht bei den Pyramiden“ ist zumindest irreführend. Zwar sind die Pyramiden von Gizeh durchaus groß und weithin sichtbar, die Kämpfe haben aber keineswegs unmittelbar in ihrem Schatten stattgefunden, wie es die vielen Darstellungen suggerieren. Als Napoleons Heer bei Tagesanbruch auf die Mamelucken traf, waren die Pyramiden noch knapp 20 Kilometer entfernt und gerade so in Sichtweite. Das soll ihn aber nicht davon abgehalten haben, sie zum Fixpunkt in seiner Motivationsrede an die Soldaten zu machen: „Wir werden kämpfen. Denkt daran, dass von diesen Monumenten 40 Jahrhunderte auf euch herabblicken.“⁣

Das ist jedenfalls das kolportierte Zitat, das im Gemälde durch Napoleons Gestik ebenfalls angedeutet wird. Falls die Aussage überhaupt schon kursierte, als Antoine-Jean Gros (übrigens ein Schüler von Jacques-Louis David) das Bild 1810 malte, denn manche halten den Satz auch für eine Erfindung, die Napoleon erst am Ende seines Lebens im Exil erfand. Ob die Worte nun so gefallen sind oder nicht, klar ist, dass die symbolische Wirkmacht der Monumente allen von Anfang an bewusst war.

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Türchen 14: Römische Dekadenz

~ Karl Brullov, Der letzte Tag von Pompeji, 1830-33 ~

Der Untergang von Pompeji 79 n. Chr. wird von der Nachwelt gerne als Paradebeispiel für römische Dekadenz (und die Retourkutsche in Form einer quasi himmlischen Strafe) inszeniert – so auch im Gemälde von Karl Brullov, für den das Bild den künstlerischen Durchbruch bedeutete. Und die Szene mit glühenden Feuerstürmen, stürzenden Statuen und vor allem entblößten Römer(innen)körpern ist wahrlich episch. Abgesehen davon, dass manch ein Bewohner im Spätsommer (neue archäologische Erkenntnisse verweisen sogar auf ein späteres Ausbruchsdatum im Oktober statt im August) etwas weniger spärlich bekleidet war, stand allerdings in Wirklichkeit nicht der ganze Golf von Neapel in Flammen. Durch Plinius den Älteren (der beim Ausbruch ebenfalls umkam) wissen wir recht genau, wie der Ausbruch ablief. Es wurde eine große Wolke aus Gas, Asche und Gestein in die Luft geschleudert, die sich dann über der Region entlud. Die Pompeianer starben primär durch heiße Gasströme, die die Hänge des Vesuvs hinabrollten, nicht durch Feuersbrünste oder Lava. Richtig dargestellt hat Brullov den Regen aus Gestein, vor allem in der linken Bildhälfte. Die Klümpchen aus herabgeschleudertem Bimsstein waren für sich genommen sehr leicht, summierten sich aber zu einem ungeheuren Gewicht, was viele Schutzsuchende in ihren Häusern einschloss.⁣

Die unabwendbare Katastrophe des Vulkanausbruchs ist bis heute ein Faszinosum. Vielleicht, weil sie die menschliche Hilflosigkeit im Angesicht der Naturgewalt unterstreicht und gleichzeitig den Stoff für dramatische Interpretationen liefert.⁣

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Türchen 15: Terror im Badezimmer

~ Jacques-Louis David, Der Tod des Marat, 1793 ~

Dieses Gemälde ist insofern besonders, als dass seine Entstehung und das gezeigte Ereignis zeitlich sehr nah beieinander liegen: Nur wenige Monate nach dem Tod von Jean Paul Marat stellte der bereits bekannte Maler David das Gemälde fertig. Was war geschehen? Marat war Arzt und Naturwissenschaftler und wurde zu einer führenden politischen Figur der Französischen Revolution. Er radikalisierte sich schnell und fand mit der Tageszeitung „Ami du Peuple“ („Freund des Volkes“) ein wirksames Sprachrohr. Dass er dabei die sogenannten Feinde der Revolution (persönliche Gegner, aber auch gemäßigte Angehörige der Nationalversammlung) scharf angriff, lieferte diese oft der Gewalt des Volkes aus. Dabei war er keineswegs ein lupenreiner Demokrat und eher daran interessiert, die Massen in seinem Sinne zu lenken. So gilt er wegen seines Aufrufes zur Gewalt als mitschuldig am Septembermassaker von 1792. Die radikalen Jakobiner wurden immer einflussreicher und verdrängten die eher gemäßigten Girondisten. Das veranlasste deren Anhängerin Charlotte Corday, Marat als führenden Kopf zu ermorden. Warum aber in der Badewanne? ⁣

Marat litt an einer Hautkrankheit, die er durch Bäder linderte, und arbeitete deshalb oft von der Badewanne aus. Charlotte Corday musste ihn also aufsuchen und schaffte es nach mehreren Versuchen, zu ihm eingelassen zu werden. Sie erstach ihn mit einem langen Küchenmesser und sagte aus, sie habe damit ihr Land vor dem Terror retten wollen. Bei ihrer unmittelbaren Festnahme leistete sie keinen Widerstand und wurde kurz darauf guillotiniert. Damit wurde Corday zu einer Märtyrerfigur der Konterrevolution, während Marat bei den Revolutionären einen noch größeren Heldenstatus bekam. Der Maler David war sein Freund und begann das Gemälde unmittelbar nach dem Mord, um zu seiner propagandistischen Verklärung beizutragen. Die Mörderin wird nicht abgebildet und Marats Haltung erinnert an die bekannten Pietà-Darstellungen und die Grablege Christi. Das religiöse Motiv wird hier ideologisch auf die Revolutionsideale umgedeutet.

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Türchen 16: Die Exotisierung einer Herrscherin

~ Hans Makart, Der Tod der Kleopatra, 1875-76 ~

Die wohl am häufigsten dargestellte Szene aus Kleopatras Leben ist ihr Tod, meistens der Annahme folgend, sie habe sich eine Giftschlange an die Brust gesetzt. Man braucht ja schließlich einen Grund, um eben jene zu entblößen! Die längste Zeit sah man Kleopatra schließlich auch als verruchte femme fatale, die gleich zwei römische Herrscher (Cäsar und Marc Anton) verführte und schließlich am kaiserlich-heldenhaften Augustus scheiterte. Dass sie eine hochintelligente Herrscherin und geschickte Politikerin war, hat erst die jüngere Zeit vermehrt anerkannt und Kleopatra aus der sexualisierten Schublade herausgehoben. Zusätzlich zu ihrer Weiblichkeit konnte man bis dahin auch noch wunderbar alle exotischen Fantasien über das alte Ägypten oder den „Orient“ einfließen lassen. Das ist auf den meisten Gemälden des 19. Jahrhunderts zu erkennen: Raubkatzenfelle, farbenfrohe und halbseidene Stoffe, Schätze im Überfluss und fremdartig inszenierte Sklaven. Zwar hatte Kleopatra durch ihre griechische Abstammung hellere Haut als die einheimischen Ägypterinnen, die Blässe im Gemälde entstammt aber eher der Fantasie des Malers.⁣

Apropos Fantasie: Wir wissen nicht genau, ob die kolportierten Todesumstände, der Suizid mit der Schlange, wirklich stimmen. Sie hatte sich mit ihren Schätzen und einigen Getreuen in ihrem Mausoleum verbarrikadiert und wurde von Octavians Männern bewacht. Wegen Marc Antons Tod und aus Furcht, in Rom im Triumphzug zur Schau gestellt zu werden, ließ sie eine Schlange in einem Obstkorb versteckt einschmuggeln und tötete sich und ihre beiden Dienerinnen, bevor Octavian ankam. Während eine Vergiftung gut möglich ist, ist die lebende Schlange wahrscheinlich eher ein Symbol, das der Legendenbildung Vorschub leisten sollte. Es ist außerdem zumindest denkbar, dass die ganze Geschichte von Octavian in die Welt gesetzt wurde und er Kleopatra in Wirklichkeit ermorden ließ. Zumindest hat er den erwartbaren Selbstmord nicht sehr aktiv unterbunden.

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Türchen 17: Im Namen der Religion

~ Édouard Debat-Ponsan, Katharina von Medici sieht die Toten der Bartholomäusnacht an, 1880 ~

Das hier aufgegriffene Ereignis ist die sogenannte Bartholomäusnacht oder auch Pariser Bluthochzeit von 1572. Dem Ereignis voraus gingen drei blutige Religionskriege zwischen den Hugenotten (franz. Protestanten) und Katholiken. Eigentlich sollte es jetzt Frieden und eine Hochzeit geben: Margarete, die Schwester des noch jungen Königs Karl IX., sollte das katholische Königshaus mit dem protestantischen König Heinrich von Navarra (Heinrich IV.) verbinden. Im Rahmen der mehrtägigen Festlichkeiten, zu denen die gesamte hugenottische Elite angereist war, kam es jedoch zu einem Blutbad. Zuerst scheiterte ein Attentat auf den hugenottischen Admiral Gaspard de Coligny. Dadurch heizte sich die Stimmung zwischen den beiden Lagern auf, die Katholiken fürchteten einen Vergeltungsschlag. Auf Befehl des Königs wurden, quasi als „Erstschlag“, Coligny und einige andere Hugenottenführer getötet – leider verstanden das die Massen in der aufgeheizten Stimmung offenbar als generellen Tötungsbefehl: Daraus entwickelte sich eine unzähmbare Dynamik der Gewalt, und zahlreiche Hugenotten wurden in Paris erbarmungslos abgeschlachtet. Auch im Umland wurde noch Wochen danach gemordet. Die genauen Opferzahlen schwanken, allein in Paris geht man von 3000 Toten aus.⁣

Im Nachhinein wurde vielfach berichtet, dass der König und vor allem seine machtbewusste Mutter, Caterina de Medici, das Massaker bewusst initiiert hätten. Darauf spielen auch viele Abbildungen an. Es ist aber unwahrscheinlich, dass sie die Befriedung, der die königliche Hochzeit dienen sollte, absichtlich aufs Spiel setzten. Die Einhegung des Konfliktes war Caterinas Ziel, als ausländische Königin und machtbewusste Frau hinter dem Thron war sie jedoch ein beliebtes Ziel für Kritik. Einen zeitweisen Religionsfrieden gab es erst, als 1594 der zum Katholizismus übergetretene Heinrich IV. auf den französischen Thron kam und in der Folge den Hugenotten eine weitgehende Gleichberechtigung ermöglichte.

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Türchen 18: Schauriges Mittelalter

~ Jean Paul Laurens, Leichensynode, 1870 ~

Was ist eine Synode? Eine Kirchen- bzw. Bischofsversammlung. Was aber ist eine Leichensynode? Dabei handelt es sich um ein einzigartiges Ereignis aus dem Jahr 897. ⁣

Die Vorgeschichte: In diesem für das Papsstum turbulenten Jahrhundert (auch die Legende von der Päpstin Johanna fällt in diese Zeit) war die genaue Ausformung des Papsttums noch nicht sehr gefestigt. Im Jahr 800 war der Papst mit Karl dem Großen eine Verbindung eingegangen und die Franken warer zur Schutzmacht der Kirche geworden. Gegen Ende des Jahrhunderts zerfiel jedoch die Macht der Karolinger und verschiedene lokale Adelige stritten um die Vormacht in Rom. Papst Stephan V. krönte den Herzog von Spoleto zum Kaiser, um sich sozusagen eine gute Nachbarschaft zu sichern. Dessen Nachfolger Formosus bestätigte dies zunächst, holte sich dann aber beim ostfränkischen König Arnulf von Kärnten Hilfe, der Rom einnahm und von Formosus zum Kaiser gekrönt wurde. Das fanden die Spoletiner nicht gut und wahrscheinlich hätten sie sich an Formosus gerächt, wäre dieser nicht kurz darauf hochbetagt gestorben. Nach einem sehr kurzen weiteren Pontifikat (das nur 15 Tage dauerte) wurde Stephan VI. gewählt und vom Haus Spoleto massiv unterstützt wurde. Wohl auch deshalb inszenierte er die Leichensynode.

Kurzerhand ließ er den halbverwesten Leichnam von Formosus aus dem Grab holen, in seine päpstlichen Gewänder kleiden und auf den Thron setzen, um ihm den Prozess zu machen und ihn – Überraschung – schuldig zu sprechen. Für welches Vergehen eigentlich? Zum Einen war Formosus früher aufgrund einer Verschwörung aus Rom verbannt worden. Für sein Pontifikat habe er also den Eid gebrochen, Rom nie wieder zu betreten. Zudem habe das Translationsverbot verstoßen: Er war zuvor Bischof von Porto gewesen und damals durfte man sein Bistum nicht für ein anderes verlassen. Das hat auch sonst niemanden interessiert, auch Stephan VI. nicht. Sicherlich aus politischen Gründen wurde zum Usurpator und sein Pontifikat inklusive aller getroffenen Entscheidungen für null und nichtig erklärt, ihm wurden die Schwurfinger abgehackt und seine Leiche in den Tiber geworfen.

Selbst für die katholische Kirche handelt es sich hierbei um ein höchst seltsames Ritual, das in der gesamten Geschichte einmalig blieb und später zudem formell revidiert wurde. Die Episode ist zudem beispielhaft für das sogenannte „saeculum obscurum“ des Papsttums, das Dunkle Jahrhundert, in dem es wahrlich chaotisch zuging. Das wollte auch Jean-Paul Laurens mit seinem Gemälde von 1870 darstellen und damit sicherlich die groteske Düsternis des „finsteren Mittelalters“ aufgreifen, als Antikleriker aber auch die Kirche direkt kritisieren.

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Türchen 19: 333, bei Issos Keilerei

~ Alexandermosaik, Haus des Fauns, Pompeji, vor 79. n. Chr. ~

Unschwer zu erkennen ist, dass es sich hier um kein Gemälde handelt. Wir sehen das Alexandermosaik, das im 19. Jahrhundert im Haus des Fauns in Pompeji entdeckt wurde und dementsprechend in der Antike entstanden ist. Es handelt sich um eine sehr detaillierte und ausdrucksstarke Darstellung von Alexander dem Großen, dem schon zu Lebzeiten sagenumwobenen Feldherrn (365-323 v.Chr.) und seinem Pferd Bukephalos (ja, bei Alexander dem Großen kennt man sogar den Namen des Pferdes).

Erst in der Betrachtung des ganzen Bildes erkennt man den Kontext der Schlacht, die nicht nur von ihm dominiert wird. Sein Gegenspieler ist der Perserkönig Dareios, der bereits zur Flucht gewandt ist. ⁣

Die beiden trafen in zwei Schlachten aufeinander, der landläufigen Meinung nach zeigt das Mosaik aber die Schlacht bei Issos (heutige Türkei) im Jahr 333, die einen bedeutenden Sieg für Alexander darstellte und den Grundstein für seine Herrschaft in Asien legte. Dafür gibt es einen wunderbaren Merkspruch, den viele bestimmt noch aus der Schule kennen: Drei drei drei, bei Issos Keilerei.

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Türchen 20: Eine Frage der Perspektive

~ Francisco Pradilla y Ortiz, Die Kapitulation von Granada, 1882 ~

Dieses Gemälde lebt in vielerlei Hinsicht von Kontrasten. Es zeigt die Übergabe der Stadt Granada im Januar 1492: Der letzte Emir des muslimischen Reiches al-Andalus hat kapituliert und überlässt die Stadt den Katholischen Königen, Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón. Nach traditioneller Geschichtsschreibung vollenden die Spanier die sogenannte Reconquista, die Rückeroberung der Iberischen Halbinsel von den muslimischen Herrschern. Ganz so eindeutig und glorios ist die Sachlage allerdings nicht, denn diese „Rückeroberung“ dauerte schlappe 700 Jahre!⁣

Die Araber hatten schon im 7. Jahrhundert im Zuge ihrer Expansion nach Westen große Teile der Iberischen Halbinsel erobert und sich dort etabliert. Zwar gab es seitens der Christen von Beginn an Rückeroberungsversuche, die Verdrängung der Muslime aus diesem Gebiet lief aber keineswegs stringent ab. Der Begriff der Rückeroberung ist also ein wenig irreführend. Als die Katholischen Könige an die Macht kamen, war mit dem musliminischen Königreich Granada aber tatsächlich nur noch ein Machtbereich übrig, den die Könige gezielt erobern wollten. Nach einer längeren Belagerung kapitulierte der Emir Muhammad XII. und der muslimischen Bevölkerung wurden zunächst viele Rechte und Freiheiten zugesichert, die leider nicht lange eingehalten wurden.⁣

Auch wenn die Ereignisse der „Reconquista“ stattgefunden haben, ist das traditionelle Narrativ eindeutig das der siegreichen Perspektive, was auch der Bildaufbau im Gemälde von Pradilla y Ortiz unterstreicht. Er malte es 1882 für den Senat von Madrid, um die Einheit Spaniens zu symbolisieren. Dabei gab er sich große Mühe bei den Details und er recherchierte viel, gerade in Bezug auf Kleidung und Ausstattung. Bei den dargestellten Personen der spanischen Gefolgschaft hielt er sich an jene, von denen es bekannte Portraits gab. Damit wird die Historizität des Gezeigten verstärkt. Dennoch folgt der Aufbau einem eindeutigen Machtgefälle und damit dem beabsichtigten Programm.

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Türchen 21: Die Unschuld der Kinder

~ John Everett Millais, Die Prinzen im Tower, 1878 ~

Der Kontext dieses Gemäldes aus viktorianischer Zeit fällt in die Epoche der Rosenkriege in England, einen jahrzehntelangen Machtkampf zwischen den Häusern Lancaster und Plantagenet im 15. Jahrhundert. Nach dem Tod von Eduard IV. erhob dessen Bruder Richard III. Anspruch auf den Thron. Im Weg standen die beiden Prinzen, Eduards Söhne, die 12 und 9 Jahre alt waren. Richard zweifelte nachträglich die Legitimität ihrer Geburt an und ließ sich selbst im Sommer 1483 zum Thronfolger erklären und krönen. Die beiden Prinzen, seine Neffen, wurden im Tower of London festgehalten, der gleichzeitig als Königspalast und Gefängnis fungierte. Was dann mit den Prinzen geschah, ist unbekannt, aber liegt auf der Hand: Nach 1483 wurden sie nicht mehr gesehen und es gilt als sicher, dass sie getötet wurden, um keine Bedrohung mehr für Richards Herrschaft darzustellen.⁣

Das Geschichtsbild von Richard III. als tyrannischem Monster stammt im Wesentlichen von der sehr negativen Darstellung in Shakespeares Drama „Richard III.“ und wird heute zumindest in Teilen relativiert (die Gegenseite war nicht weniger zimperlich). Was die „Prinzen im Tower“ angeht, so kann Richard aber höchstwahrscheinlich nicht vom Mordverdacht freigesprochen werden, denn er hat mit Abstand das stärkste Motiv. Im 17. Jahrhundert wurden bei Bauarbeiten im Tower zwei Skelette gefunden, die jedoch nicht mehr zugeordnet werden konnten. Auch in der viktorianischen Zeit war ihr tragisches Schicksal noch sehr präsent und wird in vielen Gemälden gezeigt. John Everett Millais konzentriert sich ganz auf die beiden Jungen, die sich ängstlich aneinanderdrängen und in der steinernen Umgebung des Towers gänzlich verloren wirken. Sie sind unschuldig und allein. Wer für ihren Tod verantwortlich ist, lässt er offen, stattdessen spricht er die Betrachter emotional an und verdeutlicht so die Tragik des Schicksals, das die beiden schutzlosen Kinder ereilte. Damit schuf er ein Gemälde von großer symbolischer Kraft.

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Türchen 22: Ein Mammutprojekt

~ Nicolas Poussin, Hannibal überquert die Alpen auf dem Rücken eines Elephanten, ca. 1525 ~

Noch einmal Poussin, der hier die Alpenüberquerung des karthagischen Feldherrn Hannibal in Szene setzte. Kathargo im heutigen Tunesien war zeitweise einer der wichtigsten Gegenspieler des Römischen Reiches. Hannibal gilt als einer der bedeutendsten Feldherren der Antike. Sein buchstäblich wildestes Manöver: Eine Alpenüberquerung mit 37 Elefanten (und einem Heer), um die Römer während des Zweiten Punischen Krieges zu überwältigen. Ich habe lange Zeit gar nicht begriffen, weshalb man von Afrika aus über die Alpen muss, um in Italien zu kämpfen, bis mir aufging, was für einen Gewaltmarsch Hannibal absolvierte: Ein Teil Spaniens gehörte ebenfalls zu seinem Reich, und er wollte einem römischen Angriff auf diese Gebiete zuvorkommen. Mit Sack und Pack durchquerte er also die Iberische Halbinsel UND die Alpen, um das römische Heer von Norden aus anzugreifen. Das war an sich schon ein wahres Mammut-, äh, Elefantenprojekt. Das größte davon aber war die Mitnahme der Dickhäuter. Kriegeselefanten (wahrscheinlich die heute ausgestorbene Spezies des Nordafrikanischen Elefanten) waren gar nicht so unüblich, aber natürlich waren sie nicht gerade für die Alpen gemacht. Dennoch schafften sie (im Gegensatz zu einigen Soldaten) alle die Überquerung, wenn man den Überlieferungen glaubt. Alle Tiere bis auf einen hielten jedoch den anschließenden Winter nicht aus und starben in Italien.⁣

An Poussins Bild fand ich es beeindruckend, dass der Elefant (fürs 16. Jahrhundert) nicht vollkommen unrealistisch aussieht, wenn man von den Beinen mal absieht. „Exotische“ Tiere wurden von den Europäern nämlich oft sehr kreativ gemalt 😀 Ich konnte nicht herausfinden, ob Poussin je einen echten Elefanten gesehen oder sich nur an Vorlagen orientiert hat. ⁣

Übrigens ist bis heute unklar, welche Route Hannibals Armee genommen hat. Hoch im Kurs steht der Col de la Traversette, da dort in jüngerer Zeit passende Spuren im Sediment und Ablagerungen von Tierdung gefunden wurden.

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Türchen 23: Die Unschuld auf dem Scheiterhaufen

~ Hermann Anton Stilke, Johanna von Orléans auf dem Scheiterhaufen, 1843 ~

Jeanne d’Arc oder Johanna von Orléans ist gleich ein vielfaches Symbol: französische Freiheitskämpferin, fromme Heilige, Feministin avant la lettre. Als Bauernmädchen mit Visionen und einem soliden Sendungsbewusstsein zog sie, von König Karl VII. unterstützt, gegen die Engländer in den Hundertjährigen Krieg und wirkte an einigen militärischen Erfolgen mit. Dann aber wurde sie nach einer Niederlage der Franzosen gefangen genommen, an die Engländer ausgeliefert und von diesen vor ein Kirchengericht gestellt. Mit ihrer Verurteilung als Häretikerin sollte vor allem Karl VII. politisch geschadet werden. Teile der Anklage umfassten etwa das Tragen von Männerkleidung und Aberglaube. Jeanne wurde im Alter von nur ca. 19 Jahren zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Tatsächlich aber gewann sie dadurch an symbolischer Bedeutung als Märtyrerin, was der Sache des französischen Königs eher half. 24 Jahre nach dem Urteil wurde dieses revidiert und Jeanne posthum rehabilitiert. Im Jahr 1920 wurde sie sogar heilig gesprochen. Besonders im 19. Jahrhundert wurde sie als Schutzheilige der Nation verklärt und von den verschiedensten politischen Strömungen aufgegriffen. Man kann aus dem Mythos um ihre Person genau das herausziehen, was dem eigenen Programm dient – und zwar bis heute. ⁣

Das Gemälde von Stilke ist Teil eines Tryptichons, das ihre Visionen, ihre Rolle im Kampf und ihre Hinrichtung zeigt. Dabei steht ihre reine Frömmigkeit gegenüber den im Hintergrund gezeigten, verschlagenen Klerikern im Vordergrund. Die detaillierte Ausgestaltung der gotischen Gebäude im Hintergrund deutet auf die im 19. Jahrhundert übliche, historisierende Romantisierung des Mittelalters hin. ⁣

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Türchen 24: Die Künstler der Renaissance

~ Horace Vernet, Julius II. beauftragt Arbeiten am Petersdom (1827) und Jean Auguste Dominique Ingres, Raffael und die Fornarina (1814) ~

Auch die Kunst ist oft Gegenstand von Kunst: Gerade die Meister der Renaissance wurden oft in späteren Zeiten selbst als Genies verklärt. So auch von Vernet und Ingres: Vernet stellt dar, wie Papst Julius II. als Kunstmäzen die Arbeiten am Petersdom beauftragt. Im Bild sind drei der wichtigsten Künstler der Epoche charakteristisch gezeigt: Michelangelo (erkennbar an der knubbeligen Nase) und dem grimmigen Gesichtsausdruck. Daneben Bramante, der sich als Architekt mit dem Entwurf des Petersdoms durchsetzte. Und rechts, ein Gemälde haltend, der junge und schicke Raffael. Genau so hat sich diese Szene sicherlich nie abgespielt, sondern das Gemälde verdichtet die Vorstellungen der Renaissance und ihrer großen Akteure zu einem Ensemble. ⁣

Genauso interessant war aber das Privatleben der Künstler: Über Raffael und La Fornarina („die Bäckerin“) habe ich bereits einen Blogartikel verfasst. Einer beliebten Deutung nach war die schöne Unbekannte auf Raffaels Gemälde seine sehr reale Geliebte. Diese Szene imaginiert Ingres in seinem Bild, worin das Raffael-Gemälde am Rand unfertig zu sehen ist. Dabei wird die auf dem Gemälde dargestellte Person zu einer ganz realen historischen Figur aus Fleisch und Blut gemacht. Damit unterstreicht Ingres die gängige Vorstellung des genialen Künstlers (der angeblich ein Frauenheld gewesen sein soll) mit seiner Muse, wobei Raffaels Aufmerksamkeit dem Gemälde gewidmet ist. ⁣

Beides sind Historiengemälde. Beide zeigen Bekanntes, vielleicht Geschehenes, das dennoch sicher nicht genau so gewesen ist. Dabei verraten sie nicht nur etwas über das dargestellte Vergangene, sondern auch viel über die eigene Entstehungszeit.⁣

Davon sollte dieser Adventskalender einen Ausschnitt vermitteln, wenngleich man noch viel mehr sagen könnte. Ich hoffe sehr, dass euch die „Geschichte in 24 Bildgeschichten“ gefallen hat.

Auch die Kunst ist oft Gegenstand von Kunst: Gerade die Meister der Renaissance wurden oft in späteren Zeiten selbst als Genies verklärt. So auch von Vernet und Ingres: Vernet stellt dar, wie Papst Julius II. als Kunstmäzen die Arbeiten am Petersdom beauftragt. Im Bild sind drei der wichtigsten Künstler der Epoche charakteristisch gezeigt: Michelangelo (erkennbar an der knubbeligen Nase) und dem grimmigen Gesichtsausdruck. Daneben Bramante, der sich als Architekt mit dem Entwurf des Petersdoms durchsetzte. Und rechts, ein Gemälde haltend, der junge und schicke Raffael. Genau so hat sich diese Szene sicherlich nie abgespielt, sondern das Gemälde verdichtet die Vorstellungen der Renaissance und ihrer großen Akteure zu einem Ensemble. ⁣

Genauso interessant war aber das Privatleben der Künstler: Über Raffael und La Fornarina („die Bäckerin“) habe ich bereits einen Blogartikel verfasst. Einer beliebten Deutung nach war die schöne Unbekannte auf Raffaels Gemälde seine sehr reale Geliebte. Diese Szene imaginiert Ingres in seinem Bild, worin das Raffael-Gemälde am Rand unfertig zu sehen ist. Dabei wird die auf dem Gemälde dargestellte Person zu einer ganz realen historischen Figur aus Fleisch und Blut gemacht. Damit unterstreicht Ingres die gängige Vorstellung des genialen Künstlers (der angeblich ein Frauenheld gewesen sein soll) mit seiner Muse, wobei Raffaels Aufmerksamkeit dem Gemälde gewidmet ist. ⁣

Beides sind Historiengemälde. Beide zeigen Bekanntes, vielleicht Geschehenes, das dennoch sicher nicht genau so gewesen ist. Dabei verraten sie nicht nur etwas über das dargestellte Vergangene, sondern auch viel über die eigene Entstehungszeit.⁣

Davon sollte dieser Adventskalender einen Ausschnitt vermitteln, wenngleich man noch viel mehr sagen könnte. Ich hoffe sehr, dass euch die „Geschichte in 24 Bildgeschichten“ gefallen hat.

Bildquelle 1 & Bildquelle 2

  1. zitiert nach Heinz Schilling: Karl V. Der Kaiser, dem die Welt zerbrach, München 2020, S. 131.

2 Gedanken zu „Adventskalender 2020

  1. Lorenz Peter

    Ich habe den Adventskalender in 24 Bildgeschichten mit Interesse gelesen.
    Ich fand das als eine sehr gute Idee.
    Ich freue mich jedesmal über weitere
    Geschichten in Geschichten.

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