Die Entstehung der Post | Luisa Frey: Die Gräfin ohne Land

Das Unternehmen des Hauses Thurn & Taxis

Wie haben die Menschen vor Jahrhunderten eigentlich kommuniziert? Dass über lange Distanzen hinweg der Brief das Mittel der Wahl war, dürfte uns allen klar sein. Interessant wird es aber, wenn man sich das Ganze im Detail ansieht, denn der Weg zu einem Netzwerk an Postrouten in Europa war eine organisatorische Herausforderung. Wie fragil und komplex diese Infrastruktur war, erfahren wir im Roman »Die Gräfin ohne Land« von Luisa Frey – und eine ganz reale Powerfrau der Frühneuzeit lernen wir auch noch kennen: Alexandrine von Taxis, Generalpostmeisterin der Kaiserlichen Reichspost.

1. Ursprünge des europäischen Nachrichtenwesens

Die Entwicklung der Post ist anfangs kaum von der Entwicklung der Zeitung zu trennen, denn in beiden Fällen geht es um die Kommunikation von Neuigkeiten. Natürlich gab es schriftliche Kommunikation schon seit der Antike. Die Renaissance aber machte einen noch schnelleren Informationsaustausch erforderlich: Sie war eine Epoche der entstehenden Staatlichkeit, der Vernetzung und des aufblühenden Fernhandels.1 Der Austausch von Informationen über große Distanzen hinweg war deshalb nicht zuletzt eine Notwendigkeit für die großen Kaufmannsfamilien wie die Medici oder die Fugger.2

Zeichnung des Kontors von Jakob Fugger, 1517.
Ein Bild des Kontors von Jakob Fugger (1517) zeigt die Schränke mit verschiedener Korrespondenz, etwa aus Venedig, Mailand, Innsbruck oder Lissabon.
(Bildquelle3)

Solche Briefe mit gesammelten Neuigkeiten aus verschiedenen Orten waren die Vorläufer der öffentlichen Zeitungen, Die Netzwerke der Kaufleute wurden von Boten bespielt, die bisweilen auch die private Post anderer Leute mitnahmen. Trotzdem waren die Briefe lange unterwegs, da die Kuriere im Durchschnitt nur 30 Kilometer am Tag schafften. Die laufenden Boten seien zudem »übel versoffen und deshalb ebenso vergesslich wie schwatzhaft, plauderten überall aus, was in den ihnen anvertrauten Briefen stand«, so ein Zeitgenosse.4

Eine Medienrevolution

Abhilfe schaffte die Familie Tassis, die aus Italien stammend ein neues System mit ins Reich der Habsburger brachte: Ein Netz von Poststationen, an denen Boten und Pferde pausieren, die Briefe aber wie bei einem Staffellauf dem nächsten Reiter übergeben konnten. Plötzlich konnte die Post über 160 Kilometer am Tag zurücklegen!5

2. Franz von Taxis begründet die Post

Das italienische Botenwesen war schon früh sehr strukturiert und beförderte bereits im 14. Jahrhundert private Briefe.6 Die Familie Tassis bzw. Taxis war dort schon im Geschäft, bevor sie das Konzept ins expandierende Habsburgerreich brachte. Unter Maximilian I. stiegen die Taxis in die kaiserliche Postorganisation ein, für die 1490 ein Zahlungsbeleg an einen Johann Dachs (eingedeutscht aus Joanetto de Tassis) existiert. Und auch die Stadtchronik des oberschwäbischen Memmingen verrät:

In diesem Jahr fiengen die Posten an bestellet zu werden / auß Befelch Maximiliani I deß römischen Königs / von Oesterreich biß in die Niderland / in Franckreich / und biß nacher Rom. Es lag allweg 5 Meil wegs ein Post von der andern. […] Also kam offt in 5 Tagen ein Brieff von hier biß nacher Rom.7

Wir erfahren auch, dass die Postreiter Tag und Nacht unterwegs waren und ihr Zeitpensum einhalten mussten, sonst wurde ihnen Lohn abgezogen. Pünktlichkeit war dem Kaiser offenbar wichtig. Zu Beginn beförderte die Taxis-Post auch nur offizielle Hof- und Staatspost. Die wichtigste Route etablierte sich zwischen Innsbruck und Mechelen bei Brüssel.

Franz von Taxis empfängt sein Lehen vom Kaiser.
Franz von Taxis (links) empfängt das Postregal aus den Händen Kaiser Friedrichs III.
(Bildquelle8)

Die einschneidenste Neuerung ergab sich unter Franz von Taxis um 1500: Das Projekt wurde für die Staatskasse zu teuer und ermöglichte die Öffnung des Postverkehrs für Privatleute – unter der Bedingung, dass die Beförderung der kaiserlichen Briefe nicht beeinträchtigt würde. Damit waren die Taxis sowohl kaiserliche Beamte als auch freie Unternehmer geworden und hatten ganz nebenbei die frühneuzeitliche Kommunikation revolutioniert. Danach kam es zur ersten Erhebung der Taxis in den Reichsadel.9 Die Nobilitierung der Familie zeigt die Bedeutung ihres Postunternehmens, mit dem sie eine Monopolstellung einnahm: 1545 verbot Kaiser Karl V. sogar ausdrücklich die Einrichtung konkurrierender Unternehmen.10

Die Taxis – Grafen ohne Land

Während die Taxis ihre Postrouten ausbauten, gegen familiäre Streitigkeiten kämpften und sich durch den beginnenden Dreißigjährigen Krieg manövrierten, wurden sie in den Reichsgrafenstand erhoben. Was sie von anderen Adeligen unterschied, war der in ihrem Fall sehr überschaubare Landbesitz, der dafür normalerweise Voraussetzung war. Das Kapital der Taxis war ihr Postunternehmen, was auch den Titel des Romans »Die Gräfin ohne Land« erklärt.

Zu ebenjener Gräfin kommen wir jetzt: 1621 dehnte der Kaiser das Lehen des Postmeisters für den Fall des Aussterbens der männlichen Linie auf die weiblichen Familienmitglieder aus – eine Maßnahme, die gerade noch rechtzeitig kam.11

3. Alexandrine von Taxis

Im Roman von Luisa Frey lernen wir Alexandrine von Taxis als gestandene Postmeisterin kennen, die sich nichts gefallen lässt. Aber wie kam sie in diese außergewöhnliche Position?

Alexandrine von Rye wurde 1589 in Brüssel als Tochter eines Grafen geboren. Sie genoss eine gute Bildung und sollte als Stiftsdame ins Kloster Mons eintreten – dann hätten wir wohl nie von ihr gehört. Stattdessen heiratete sie mit 27 Jahren Leonhard II. von Taxis, der sich davon einen gesellschaftlichen Aufstieg versprach.12

Zehn Jahre nach dem Beginn des Dreißigjährigen Krieges, 1628, stand die kaiserlich-katholische Partei gerade gut da, wovon Leonhard als Generalpostmeister profitierte. Er starb jedoch überraschend, mit gerade einmal 33 Jahren. Die beiden Kinder, Genoveva und Lamoral, die auch im Roman eine wichtige Rolle spielen, waren noch nicht volljährig. Leonhard hatte jedoch vorsorglich in seinem Testament verfügt, dass Alexandrine die Geschäfte des Hauses führen und als Vormund für den Universalerben Lamoral agieren sollte. Und sie hatte nicht vor, sich das nehmen zu lassen!13

Eine Frau als Generalpostmeisterin

Sie berief sich auf das 1621 verfügte »Weiberlehen« und suchte sich bei der spanischen Infantin Isabella prominente Unterstützung. Diese appellierte an den Kaiser und half Alexandrine dabei, den Anspruch durchzusetzen. Ferdinand II. bestätigte die »edle, unsere liebe andächtige Alexandrina Gräfin von Taxis geborene von Rye« als Vormund ihrer Kinder und als Erbgeneralpostmeisterin des Reiches.14

Alexandrine von Taxis als Reiterin.
Alexandrine von Taxis – eine wirklich imposante Erscheinung!
(Bildquelle15)

Der Krieg mit dem Vormarsch der Schweden hat das Land und auch die Postrouten schwer gebeutelt. Und auch, wenn sich Alexandrine inzwischen einen guten Ruf erarbeitet hat, gibt es Neider und Konkurrenten, die die Taxis-Post gerne in Misskredit bringen würden.

Der Aufstieg der Familie Taxis

Genovevas Geschichte ist in »Die Gräfin ohne Land« weitgehend fiktiv, da über Alexandrines Tochter kaum mehr als der Name überliefert ist. Sie wurde 1618 geboren und war tatsächlich mit Sigismondo Sfondrati, Marquis de Montafié, verheiratet. Ihr Gatte war spanischer Generalkapitän der Artillerie, gemeinsam lebten sie im Hôtel Sfondrati in Brüssel.16 Alles andere gehört ins Reich der Fantasie – allerdings können wir uns zumindest vorstellen, dass eine Frau wie Alexandrine so manche ihrer Eigenschaften an ihre Tochter weitergegeben haben könnte. Für das weitere Vorankommen ihrer Familie, die das Postwesen bis ins 19. Jahrhundert betrieb, war Alexandrine von Taxis jedenfalls eine Schlüsselfigur.

Wieso ist hier eigentlich durchgehend nur vom Familiennamen »Taxis« die Rede? Dabei weiß doch jeder, der schon einmal an einem Klatschblatt vorbeigelaufen ist, dass die Familie heute »Thurn und Taxis« heißt … Auch diese Entwicklung geht auf Alexandrine zurück. Nicht nur Kleider, sondern auch Namen machen schließlich Leute, und der Nachweis einer adeligen Abstammung konnte auch bei den Standeserhebungen helfen, die sich die Familie noch erhoffte. Denn die Taxis wollten nicht Reichsgrafen bleiben, sondern Fürsten werden!17

So hatte Alexandrine veranlasst, die Abstammung der Familie und ihre italienischen Wurzeln zu untersuchen. Wirklich fündig wurde man nicht, über niederen Stadtadel ging der Rang der taxisschen Vorfahren nicht hinaus. Aber das machte nichts, denn damals half man der Ahnenforschung gerne mal auf die Sprünge. Im Auftrag von Alexandrine bastelten die »Forscher« eine Verbindung zum Mailänder Adelsgeschlecht der Torriani bzw. della Torre und veröffentlichten die Ergebnisse. Mit Erfolg, denn Alexandrines Sohn Lamoral erhielt 1650 die kaiserliche Erlaubnis, künftig in Namen und Wappen »Thurn und Taxis« zu führen.18

Wappen der Familie Thurn und Taxis.
Das Wappen der Thurn und Taxis in seiner Form ab 1650, mit den namensgebenden Elementen Turm und Dachs.
(Bildquelle19)

4. Rezension

Cover des Romans "Die Gräfin ohne Land" von Luisa Frey.
Luisa Frey, Die Gräfin ohne Land, Knaur.

Dass es in diesem Roman um Alexandrine von Taxis (und ihre Tochter) geht, hat mich direkt neugierig gemacht – von der Entstehung des Postwesens hatte ich schon einmal gehört, von dieser Ausnahmefrau allerdings nicht. Sie muss ganz schön badass gewesen sein, um ihre Post während des Dreißigjährigen Krieges und als Frau mit Zähnen und Klauen zu verteidigen, und das transportiert auch der Roman sehr gut. Wir steigen in die Handlung ein, als Alexandrine schon relativ fest im Sattel sitzt, ihre Kinder Lamoral und Genoveva fast erwachsen sind. Darüber, wie Alexandrine es schaffte, sich in dieser Position zu behaupten, hätte ich gerne davor noch einen Roman gelesen!

In »Die Gräfin ohne Land« richtet sich das Hauptaugenmerk auf Genoveva, die ebenso historisch ist wie ihr Ehemann Sigismondo. Die Details der erzählten Geschichte sind im Roman allerdings fiktiv, wenngleich gut verwoben mit den wahren Intrigen und Streitereien rund um das Kaiserliche Postwesen. Zu Beginn des Romans lag mir etwas zu viel Fokus auf dem Verhältnis von Genoveva und Sigismondo; die Romanze hätte man nach meinem Geschmack auch abkürzen können. Spätestens ab der Hälfte kommt die Autorin aber zu einer ausgewogenen Balance, denn Genoveva entdeckt eine Verschwörung, die ihre Familie das Postamt kosten kann – ab hier wird es wirklich spannend.

Genoveva mochte ich gerne: In Teilen ist sie eine »typische« Protagonistin des Genres, eigensinnig und zugleich ein wenig naiv; ihr Verhalten lässt sich aus den Umständen um sie herum aber plausibel erklären (und damit, dass sie wirklich jung ist). Sehr sympathisch fand ich, dass Luisa Frey ihr die Eigenschaft »Kurzsichtigkeit« verliehen hat. Solche banalen körperlichen Befindlichkeiten finden selten Eingang in historische Romane, deren Protagonistinnen ja meistens schön und perfekt sind. Dieses Detail hat Genoveva für mich sympathisch und greifbar gemacht. Auch Alexandrine von Taxis wird als vielschichtige Frau geschildert, die ihr ungewöhnliches Amt mit harter Hand erfüllt und sich doch ab und an Momente der Schwäche erlaubt. Lediglich über ihre Vergangenheit, beziehungsweise die Familiengeschichte der Taxis allgemein, hätte ich gerne noch mehr erfahren, um die Eindrücke des Romans abzurunden.

Die Autorin lässt, davon abgesehen, aber wirklich viele Details zur Kaiserlichen Reichspost einfließen und zeigt auch noch einmal in einem ausführlichen Nachwort mit Bibliographie, dass sie aufwändig recherchiert hat. Ihr Wissen ist dabei leichtfüßig in den Roman eingeflossen, sodass man beim Lesen nicht von den Informationen aufgehalten wird – das hat mir sehr gut gefallen und ich hoffe, dass wir von Luisa Frey noch mehr zu lesen bekommen!

Luisa Frey, Die Gräfin ohne Land, erschienen 2021 im Droemer Knaur Verlag.

>>Link zum Buch<<

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  1. Eva-Maria Schnurr: Neues aus Japonien, Spiegel Geschichte 6/2013, S. 116-119.
  2. Eva-Maria Schnurr: Neues aus Japonien, Spiegel Geschichte 6/2013, S. 116-119.
  3. Bild von Narziss Renner – aus dem Book of Clothes of Matthäus Schwarz; Herzog-Anton-Ulrich-Museum Braunschweig, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1351287, Zugriff am 30.10.2021.
  4. Zitert nach Eva-Maria Schnurr: Neues aus Japonien, Spiegel Geschichte 6/2013, S. 116-119.
  5. Eva-Maria Schnurr: Neues aus Japonien, Spiegel Geschichte 6/2013, S. 116-119.
  6. Peter Styra: Eine Karriere durch die Post. Die Standeserhebungen des Hauses Thurn und Taxis, Regensburg 2013, S. 19.
  7. Zitiert nach: Peter Styra: Eine Karriere durch die Post. Die Standeserhebungen des Hauses Thurn und Taxis, Regensburg 2013, S. 21.
  8. Bernard van Orley, Foto von Karmakolle – Eigenes Werk, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=41490523, Zugriff am 30.10.2021.
  9. Peter Styra: Eine Karriere durch die Post. Die Standeserhebungen des Hauses Thurn und Taxis, Regensburg 2013, S. 22-24.
  10. Peter Styra: Eine Karriere durch die Post. Die Standeserhebungen des Hauses Thurn und Taxis, Regensburg 2013, S. 29.
  11. Peter Styra: Eine Karriere durch die Post. Die Standeserhebungen des Hauses Thurn und Taxis, Regensburg 2013, S. 40.
  12. Marita A. Panzer: Fürstinnen von Thurn und Taxis, Regensburg 2008, S. 11.
  13. Marita A. Panzer: Fürstinnen von Thurn und Taxis, Regensburg 2008, S. 13.
  14. Marita A. Panzer: Fürstinnen von Thurn und Taxis, Regensburg 2008, S. 14.
  15. Brüsseler Tapisserie – Scan, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2509340, Zugriff am 30.10.2021.
  16. Marita A. Panzer: Fürstinnen von Thurn und Taxis, Regensburg 2008, S. 22.
  17. Marita A. Panzer: Fürstinnen von Thurn und Taxis, Regensburg 2008, S. 17-18.
  18. Marita A. Panzer: Fürstinnen von Thurn und Taxis, Regensburg 2008, S. 17-19.
  19. Von Nomadic1 – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53553660, Zugriff am 30.10.2021.

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