Adventskalender 2019

24 historische Personen, die auf Gemälden echt doof aussehen

Nachdem ich im Dezember mit technischen Problemen zu kämpfen hatte, konnte ich nun endlich den Adventskalender 2019 auch hier archivieren. 2018 hatte ich riesigen Spaß an den „24 nicht ganz ernstgemeinten Grundregeln historischer Romane„, und auch 2019 standen die Beiträge natürlich wieder ganz im Zeichen der Geschichte. Müsst ihr auch so oft lachen, wenn ihr die Portraits historischer Figuren seht? Ich schon. Deshalb: Vorhang auf für „24 historische Personen, die auf Gemälden echt doof aussehen“!

~ 1. Türchen ~
Katharina von Kastilien (1507-1578)

 

 

Wollte ich einen Adventskalender über verrückte Namen machen (gute Idee eigentlich, ich notiere das mal), wären Katharinas Eltern ganz vorne dabei: Philipp der Schöne und Johanna die Wahnsinnige wurden sie genannt. Philipp starb nach kurzer Zeit als König von Spanien, während Johanna noch mit Katharina schwanger war. Nach dem Tod des Gatten verfiel sie in tiefe Trauer, manche sagen geistige Umnachtung (die Gegenthese ist, dass sie aus machtpolitischen Gründen ausgeschaltet wurde) und verbrachte den Rest ihres Lebens in Gefangenschaft. Dieses Los teilte die kleine Katharina bis zu ihrem 18. Lebensjahr. Die anderen Geschwister, darunter der spätere Kaiser Karl V., kamen zur Erziehung an den Hof ihrer Tante Margarete von Österreich. Vielleicht lag es an Katharinas jungem Alter, dass sie bei der Mutter blieb, schön war das Leben auf der Burg in Tordesillas bestimmt nicht.

1525 wurde sie von ihrem Bruder Karl „befreit“ und direkt mit König Johann III. von Portugal verheiratet. Nur zwei der neun Kinder überlebten das Kleinkindalter, wobei sich Katharina sehr durchsetzungsfähig für deren Erziehung und Ausbildung eingesetzt und am Hof auch die Künste gefördert haben soll. Nach dem Tod des Königs wurde sie als Mitregentin für ihren Enkel Sebastian eingesetzt. Dieser kam als Dreijähriger auf den Thron, weil auch sein Vater jung gestorben war.

Katharina besaß eine umfangreiche Bibliothek und veranlasste die Gründung der Universität in Évora, sorgte leider aber auch für unschöne Dinge wie die Einführung der Inquisition in Portugal. Ausgewählt habe ich sie vor allem wegen ihres „Mit-mir-ist-nicht-gut-Kirschen-essen“-Gesichtsausdrucks und natürlich der schrägen Frisur. Kopfhörer? Ohrenwärmer? Man weiß es nicht…

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~ 2. Türchen ~
Gottfried von Bouillon (ca. 1060-1100)

 

 

Bei diesem Herrn ist nicht nur das Bild richtig spannend, sondern auch der Name. Der kommt natürlich nicht, weil er der führende Hersteller von Gemüsebrühe war, sondern von einem Herzogtum im heutigen Belgien. Gottfried ist vor allem als Heerführer des Ersten Kreuzzuges bekannt. Er war bei der Eroberung Jerusalems 1099 ganz vorne dabei und übernahm die Herrschaft im dort neu gegründeten Königreich. König wollte er aber nicht sein – er hätte es als Anmaßung betrachtet, sich in der Stadt, in der Jesus die Dornenkrone getragen haben soll, eine Königskrone aufsetzen zu lassen. Stattdessen wurde Gottfried zum „Beschützer des Heiligen Grabes“ und versuchte, die Macht in Jerusalem auszubauen. Er starb allerdings bereits im Jahr 1100, entweder während einer Belagerung oder durch Krankheit, manche Gerüchte sprechen von einer Vergiftung. Aus christlicher Sicht wurde er in späterer Zeit zu einem Mythos stilisiert und als erster König von Jerusalem und Held des Kreuzzuges betrachtet. Deshalb gibt es einige Darstellungen von ihm, die ihn als den idealen Ritter zeigen. So auch auf diesem Bild von 1509, das ihn mit dem Wappen des Königreichs Jerusalem abbildet. Daran ist so einiges ziemlich fragwürdig, aber die Kopfhaltung ist vor allem ungesund. Sehr ungesund.

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~ 3. Türchen ~
Katharina von Bora (ca. 1499-1552)

 

 

Die heute gezeigte Dame entstammt dem sächsischen Landadel und wurde schon früh zur Erziehung in ein Kloster geschickt. Im Kloster Nimbschen legte sie 1515, noch als Teenager, ein Gelübde ab. Dann brachte Martin Luther die Reformation in Gang. Wohl auch, weil er die Verbindlichkeit klösterlicher Gelübde in Frage stellte, hatte Katharina den Mut, 1523 mit einigen Mitschwestern aus Nimbschen zu fliehen. Luther half dabei, die Frauen in Wittenberg bei Bekannten und Freunden unterzubringen. So lebte Katharina einige Zeit bei Lucas Cranach dem Älteren, der auch das hier gezeigte (mittelmäßig vorteilhafte) Portrait von ihr anfertigte. Und ihr ahnt (oder wisst) es – 1525 heiratete sie den Reformator höchstselbst und wurde zur „Lutherin“.

Eine Liebesgeschichte zwischen einem ehemaligen Mönch und einer ehemaligen Nonne? Weit gefehlt. Katharina war auf einen Versorger angewiesen, es war aber gar nicht so einfach, den Familien „ehrenwerter“ Männer die Ehe mit einer entlaufenen Nonne schmackhaft zu machen. Sie war also schwierig zu verheiraten. Und der Junggeselle Luther hatte eigentlich eine der anderen Nonnen im Auge, die sich aber für einen Arzt entschied. So fanden er und Katharina eher aus pragmatischen Gründen zusammen. Sie bewies aber großes Geschick bei der Führung des wachsenden Haushalts und der Verwaltung der Ländereien, die sie zur Verfügung gestellt bekam – sie managte sogar eine Brauerei! Nebenbei brachte sie noch sechs Kinder zur Welt. Damit hielt sie ihrem Mann in finanziellen und organisatorischen Dingen den Rücken frei und konnte nach seinem Tod, wenn auch nicht ohne Schwierigkeiten, von der Erbschaft leben. Sie starb 1552, nachdem sie mit einem Fuhrwerk verunglückt war.

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~ 4. Türchen ~
Federico I. Gonzaga (1441-1484)

 

 

Federico war der älteste Sohn des Markgrafen von Mantua und erbte diese Position 1478. Da das Testament seines Vaters spurlos verschwunden war, beanspruchten seine vier Brüder das Erbe allerdings ebenfalls, sodass das Land geteilt wurde. Das war selten eine gute Idee, und Mantua verlor auf diese Weise langfristig einige Gebiete. Und Federico natürlich wichtige Einkünfte. Er stand nämlich im militärischen Dienst der Mailänder Herrscherfamilie Sforza und musste diese wichtige Allianz, die gleichzeitig Mantua schützte, irgendwie halten. Durch diese Tätigkeit mischte er bei den komplexen territorialen Auseinandersetzungen auf italienischem Boden mit. Davon hielt ihn auch seine gekrümmte Wirbelsäule, die ihm den Beinamen „der Bucklige“ einbrachte, nicht ab.

Verheiratet war Federico mit der Herzogstochter Margarete von Bayern, mit der er sechs Kinder hatte. Federicos Schwester Barbara war mit Graf Eberhard V. von Württemberg verheiratet, über den ich in meinem Artikel „Universitätsgründungen“ vom April 2019 schreibe. Und sein ältester Sohn, ebenfalls Federico, heiratete die schillernde und gelehrte Isabella d’Este. Das kleine Mantua war also sehr gut vernetzt. Auch in Friedenszeiten war Federico I. übrigens ein echter Renaissancemensch und gab viele Bauten, Gemälde, Bücher und andere Kunstwerke in Auftrag. So beschäftigte er beispielsweise an seinem Hof den Maler Andrea Mantegna.

Wer mich kennt, der weiß, dass mich die Renaissance und besonders Italien mit seinen unzähligen Territorien und Herrscherfamilien sehr interessiert. Dass diese Leute auf vielen Portraits ein bisschen seltsam aussehen, liegt aber daran, dass die Portraitmalerei zu dieser Zeit gerade erst aufkam und sich auch die künstlerischen Fertigkeiten und nicht zuletzt der Blick für eine naturgetreue Perspektive gerade erst entwickelten. Und zwar unter der Ägide vieler Herrscher, für die es standesgemäß war, sich als Mäzene zu betätigen.

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~ 5. Türchen ~
Hans Holbeins Familie (1528)

 

 

Hier war nicht die Mutter Elsbeth, die es im Leben nicht ganz leicht hatte, sondern der Grabesblick der kleinen Katharina der Anlass, mich zum Grinsen zu bringen. Gemalt wurde das Bild um 1528 vom Familienvater, Hans Holbein dem Jüngeren. Er war einer der fähigsten Maler dieser Zeit und ist uns vor allem ein Begriff, weil er zahlreiche Mitglieder der englischen Königsfamilie malte und so auch für das ikonische Gemälde von König Heinrich VIII. verantwortlich ist. Für seine eigene Familie hatten diese (auch finanziell lukrativen) Auslandsaufenthalte aber einen Nachteil: Elsbeth und die insgesamt vier Kinder sahen den Vater kaum. Zwar sorgte er in materieller Hinsicht gut für sie (seinem Sohn Philipp etwa verschaffte er eine Lehrstelle bei einem Goldschmied in Paris), man kann sich aber vorstellen, wie einsam sie ohne ihn lebten. 1538 verkaufte Elsbeth sogar das von ihm gemalte Bild der Familie – emotionalen Wert scheint es für sie also nicht mehr besessen zu haben. Was kein großes Wunder ist, denn Holbein hatte in London längst eine Mätresse und uneheliche Kinder, also eine Art Zweitfamilie. Vielleicht sehen die drei Personen auf dem Bild auch deshalb nicht besonders glücklich aus.

Über den Lebensweg von Hans Holbein berichte ich ausführlich in meinem Blogbeitrag „Die Macht der Bilder“ (Juli 2017) zum historischen Roman „Der Brautmaler“ von Helle Stangerup.

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~ 6. Türchen ~
August III. von Polen (1696-1763)

 

 

Einen schönen Nikolaustag wünsche ich euch! Auch das 18. Jahrhundert bereichert uns mit vielen schönen Gemälde-Verirrungen. Allein die Mode der Zeit war teilweise einfach nur abgefahren, und zwar für beide Geschlechter. Und wer kam bitte auf die Idee, dass weiß gepuderte Lockenperücken eine ästhetisch gute Idee seien? Eins konnte man damit aber sehr gut: Seinen Reichtum und seinen Stand zur Schau stellen.

Unser hier abgebildeter August vereinte das Kurfürstentum Sachsen und das Königreich Polen-Litauen in Personalunion, wie auch schon sein Vater August der Starke. Er liebte die Künste, auch ein Ergebnis seiner mehrjährigen Kavalierstour durch Europa. Die ältere Forschung hatte ihn oft als stark an Vergnügungen interessiert dargestellt, und er war definitiv ein bedeutender Kunstförderer (besonders der Malerei und der Oper), bemühte sich jedoch auch um sein politisches Engagement. Der Siebenjährige Krieg brachte Sachsen allerdings an den Rand des Zusammenbruchs.

„Privat“ distanzierte er sich übrigens von der Mätressenwirtschaft seines Vaters und führte eine offenbar stabile Ehe mit der Erzherzogin Maria Josepha von Österreich, die ganze 15 Kinder zur Welt brachte. Der älteste überlebende Sohn Friedrich Christian folgte August auf dem sächsischen Thron nach, während mit Stanislaus II. ein Günstling der russischen Zarin Katharina zum polnischen König gewählt wurde, sodass die Personalunion endete.

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~ 7. Türchen ~
Eleonore von Anhalt-Zerbst (1608-1681)

 

 

Ich gestehe, über diese Frau habe ich kaum Informationen gefunden, und sie spielte eine geringere historische Rolle als viele andere im Adventskalender. Aber das Portrait war zu großartig, als dass ich es hätte ignorieren können! Eleonore war die Tochter des Fürsten von Anhalt-Zerbst, einem sehr kleinen Territorium. Ein Grund hierfür war die Erbteilung, die oftmals vorgenommen wurde, wenn eine Familie mehrere Söhne hatte. Die Folge waren kleine Gebiete, die bisweilen nicht mehr genug abwarfen, um mehrere Familien standesgemäß zu erhalten. Ähnlich verhielt es sich mit dem Herzogtum Schleswig-Holstein-Sonderburg-Norburg (!), in das Eleonore einheiratete. Ihr Ehemann Friedrich war nämlich auch nur der dritte Sohn seiner Familie und bekam das Teilherzogtum Norburg auf der Ostseeinsel Alsen ab. Eleonore hatte fünf Kinder mit Friedrich. Als er starb, erbte aber sein Sohn aus erster Ehe, Johann Bogislaw, das Territorium. Das Herzogtum war da bereits verschuldet, und politische Macht war keine vorhanden. 1667 zog die dänische Krone das bankrotte Herzogtum ein. Eleonore, die ihren Mann um zwei Jahrzehnte überlebte, blieb immerhin ein Witwensitz, Schloss Østerholm, wovon heute nur noch Fundamente zu sehen sind. Ich besuche an der Uni dieses Semester einen Kurs zum Thema „Kultur und Lebenswelt des Adels in der Frühneuzeit“, und es geht immer wieder darum, dass Adel nicht immer bedeuten musste, dass die Familie unglaublich wohlhabend war. Dafür ist Eleonores Familie ein gutes Beispiel. Sicherlich ging es ihr materiell nach wie vor deutlich besser als den ganz einfachen, armen Leuten – aber das Bild des dekadenten Hochadels, der mit Geld nur so um sich wirft, trifft hier eher nicht zu. Was vielleicht ihre griesgrämige Miene auf dem Gemälde erklärt, das sie als Witwe zeigt.

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~ 8. Türchen ~
Papst Clemens XIII. (1693-1769)

 

 

Man hätte für diesen Adventskalender wirklich viele Papstbildnisse hernehmen können! Hier haben wir es mit Carlo Rezzonico aus Venedig zu tun, der das höchste katholische Kirchenamt von 1758 bis 1769 bekleidete. Er wurde als sogenannter Kompromisskandidat gewählt: Hinter jedem Konklave standen die verschiedenen weltlichen Mächte, die natürlich einen möglichst genehmen Kardinal auf dem Stuhl Petri sehen wollten. Konnte keiner die Mehrheit erlangen, lief es oft auf solche Kompromisse hinaus. Entweder, weil man hoffte, dass ein solcher Kandidat leicht beeinflussbar wäre, oder weil man darauf vertraute, dass er wenigstens keinen zu großen Schaden anrichten würde. So schrieb sich Clemens XIII. auch vor allem auf die Fahnen, die Moral des Klerus zu fördern, der wegen seines Lebenswandels zu allen Zeiten mindestens in Teilen in der Kritik stand.

Dann machte er sich aber doch gleich bei mehreren Herrschern, allen voran den Königen von Frankreich und Spanien, ziemlich unbeliebt. Er stellte sich nämlich klar als Freund des Jesuitenordens auf und bestätigte diesen mittels einer päpstlichen Bulle. Dabei waren die Jesuiten in Frankreich gerade verboten worden! Die Könige fürchteten den Orden als Einfallstor ausländischer Mächte und verlängerten Arm des Papstes. Der nächste Papst, mit dem Namen Clemens XIV., musste sich schließlich 1773 fügen und hob den Orden auf.

„Unser“ Clemens war außerdem noch ein erklärter Gegner der Aufklärung und setzte beispielsweise die französische Encyclopédie auf den Index der verbotenen Bücher. Über dieses Mammutwerk und einen dazu passenden historischen Roman könnt ihr euch in meinem Artikel „Die Wikipedia des 18. Jahrhunderts“ vom Mai 2017 informieren.

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~9. Türchen ~
Isabella I. von Kastilien (1451-1504)

 

 

Besser bekannt als Isabella die Katholische. Wusste durchaus, was sie wollte: Nach dem Tod des Vaters kam ihr Halbbruder, schmeichelhaft Heinrich der Unvermögende genannt, auf den Thron von Kastilien und Léon und wollte Isabella zu seinem politischen Vorteil verheiraten, was sie ablehnte. Stattdessen suchte sie sich selbst einen Kandidaten aus, Ferdinand von Aragón. An ihrem Halbbruder vorbei ließ sie einen ihrer Berater einen Antrag machen, Ferdinand nahm an, und die beiden heirateten, bevor Heinrich es verhindern konnte. Ganz schön ungewöhnlich für eine Prinzessin des 15. Jahrhunderts! Nach dem Tod ihres Bruders wurde Isabella Königin und vereinigte so mit Ferdinand Aragón und Kastilien, die bedeutendsten Reiche dessen, was heute Spanien ist. Es regierte aber weiterhin jeder Ehepartner gleichberechtigt über sein eigenes Gebiet.

Die restlichen politischen Meriten von Isabella sind leider nicht ganz so fortschrittlich. 1492 war gleich in zweierlei Hinsicht bedeutsam: Christoph Kolumbus segelte, von der Königin finanziert, nach Amerika und legte so den Grundstein für die koloniale Expansion Spaniens (und die Unterdrückung und Ausrottung der dortigen Einheimischen). Gleichfalls in jenem Jahr wurde mit der Eroberung des Emirats von Granada die sogenannte Reconquista vollendet und das letzte maurische Herrschaftsgebiet der spanischen Halbinsel aufgelöst. Muslime, aber auch die spanischen Juden wurden ausgewiesen oder zwangsbekehrt. Zudem hatten Isabella und Ferdinand (in freundlicher Kooperation mit dem Papst) die Inquisition eingerichtet. Dafür gab es dann auch den Ehrentitel „Katholische Könige“.

Isabella, die nebenbei noch zehn Kinder zur Welt brachte, war zweifellos eine energische Frau mit bemerkenswertem Machtbewusstsein, vor allem für jene Zeit. Inhaltlich muss man ihre Politik heutzutage aber natürlich höchst differenziert und kritisch bewerten. Gut Kirschen essen war mit ihr jedenfalls nicht, und zumindest das gibt das Gemälde ganz gut wieder…

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~ 10. Türchen ~
Karl V. (1500-1558)

 

 

Ach ja, der Karle. Eine der wichtigsten Personen der frühen Neuzeit und deshalb auch in zahlreichen Artikeln von mir anzutreffen. Er war der Enkel der gestern vorgestellten Königin Isabella und Bruder der Katharina von Kastilien aus dem ersten Türchen. Durch die geschickte Heiratspolitik seiner Großeltern erbte Karl gleich vier eigenständige Reiche: das Erzherzogtum Österreich, das Herzogtum Burgund mit den burgundischen Niederlanden, das Königreich Aragón und das Königreich Kastilien mit Überseegebieten. 1519 wurde er dann dank einer kräftigen Finanzspritze des Handelshauses Fugger zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gewählt und damit endgültig zum Big Player seiner Zeit.

Genetisch hatte er mit dem Erbe weniger Glück, wie man unschwer auf dem Bild erkennen kann. Seine Eltern hießen mit Beinamen Philipp der Schöne und Johanna die Wahnsinnige, man kann spekulieren, was er zu welchen Teilen mitbekam… Spaß beiseite, Karl war äußerst gebildet. Aber die berühmte „Habsburger Unterlippe“ ist bei ihm tatsächlich sehr ausgeprägt. Bei manchen Vertretern der Familie war es nur eine etwas dickere Lippe, bei anderen aber ein veritabler Unterbiss, der Karl wohl große Schwierigkeiten beim Sprechen bereitet hat. Auf vielen Portraits wird er durch einen dichten Bart kaschiert, hier allerdings nicht. Begünstigt wurde die Vererbung dieser Besonderheit der Dynastie über mehrere Jahrhunderte hinweg durch die Ehen mit oftmals nahen Verwandten. Mit einem dahingehend besonders krassen Fall werden wir es hier demnächst noch zu tun haben.

Karl ist jedenfalls eine rundum sehr interessante Figur, denn er war politisch in vielerlei Hinsicht bedeutsam, hatte quasi überall die Hände im Spiel und fällt insgesamt in eine sehr turbulente Epoche. Noch mehr davon zu erzählen, würde den Rahmen hier sprengen. Wer sich mit der Frühneuzeit beschäftigt, kommt an ihm aber nicht vorbei. Und zu erkennen ist er immerhin sofort…

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~ 11. Türchen ~
Marie Louise Élisabeth von Frankreich (1727-1759)

 

 

Diese Prinzessin war die erste Tochter des französischen Königs Ludwig XV. und Maria Leszcynskas und hatte noch eine Zwillingsschwester namens Anne Henriette. Marie Louise war aber zuerst auf die Welt gekommen und wurde deshalb auch „Madame Première“ genannt. Sie galt als besonderer Liebling des Königs, was ihn aber nicht davon abhielt, seine Tochter im Alter von zwölf Jahren mit einem spanischen Infanten, dem künftigen Herzog von Parma, zu verheiraten. Der war übrigens auch ihr Onkel 2. Grades… Am spanischen Hof fühlte sie sich nachweislich unwohl und entwickelte vermutlich eine Depression. Mit der Erhebung ihres Mannes zum Herzog von Parma und dem Umzug dorthin besserte sich ihre Lage ein wenig. Sie setzte sich dafür ein, die Kultur in der neuen Heimat zu befördern. Ansonsten hatte sie ein besonders enges Verhältnis zu ihrer erstgeborenen Tochter, die später den Kaiser, Joseph II., heiratete. Obwohl sie selbst bei der Geburt dieses Kindes erst 14 Jahre alt gewesen war, stellte Marie Louise schon früh die Weichen für diese Eheschließung ihrer Tochter, was ein wenig wunderlich anmutet.

Glücklich war Marie Louise wahrscheinlich selten. Hin und wieder besuchte sie ihre Familie am französischen Hof und verbrachte auch ihre letzten Lebensjahre größtenteils dort. Ihre einst geliebte Zwillingsschwester war schon 1752 gestorben, und Marie Louise ließ sich neben ihr bestatten, als sie ihr 1759 nach einer Pockenerkrankung nachfolgte – mit 32 Jahren.

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~ 12. Türchen ~
Karl VIII. von Frankreich (1470-1498)

 

 

Dieser kritisch dreinblickende Herr aus dem Hause Valois war ab 1483 König von Frankreich. Seine erste Ehe wurde für den Dreizehnjährigen dann mit Margarete von Österreich, einem dreijährigen (!) Kind geschlossen – natürlich nur auf dem Papier. Sie wuchs immerhin in Frankreich auf, bis Karl es sich zehn Jahre später anders überlegte, seine symbolisch angetraute Braut verstieß und die Herzogstochter Anne de Bretagne zu einer Heirat … überredete. Mit dem netten Effekt, dass deren Erbe, eben die Bretagne, an die französische Krone fiel. Zur Sicherheit verpflichtete er sie gleich noch, nach seinem Tod, falls es dann keinen männlichen Erben gäbe, den nächsten französischen König zu heiraten. Was sie auch machte. Vorher aber zettelte Karl noch die folgenreichen „Italienischen Kriege“ an. Was als Eroberungsversuch von Neapel begann, wuchs sich zu einem jahrzehntelangen Streit zwischen Frankreich und Habsburg/Spanien um die Vorherrschaft in Italien (das aus vielen kleineren und größeren Territorien bestand) aus.

Denkwürdig ist allerdings auch der, naja, sagen wir mal etwas unrühmliche Tod, der Karl VIII. ereilte. Da heißt es: „Als der König in diesem großen Ruhme war, insoweit es die Welt betraf, und so guten Willens, insoweit es Gott betraf, verließ er am 7. April 1498 […] das Zimmer der Königin […] und führte sie mit sich, um zuzuschauen, wie sie in den Gräben des Schlosses Ball schlugen, […] und sie betraten miteinander eine Galerie, […] und war der unschicklichste Ort von dort, weil jedermann dort seiner Notdurft folgte; und war der Eingang zerbrochen; und es schlug sich der König, klein wie er auch war, mit der Stirn am Türpfosten an.“

Danach redete er noch eine Weile mit den Anwesenden, bevor er die Sprache verlor, umkippte und neun Stunden später starb, auf ein behelfsmäßiges Lager in ebenjener Galerie gebettet. Aufgrund dieser Türpfosten-Begegnung und weil er keine überlebenden Söhne hatte, starb seine Linie der Valois aus und Karls Cousin aus der Linie Valois-Orléans, Ludwig XII., bestieg den Thron von Frankreich.

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~ 13. Türchen ~
Vannozza de Cattanei (1442-1518)

 

 

Diese Dame, von der es übrigens auch ein Portrait gibt, auf dem sie nicht so grimmig dreinschaut, ist eine hochinteressante, wenn auch eher unbekannte Figur der Renaissance. Vannozza war die langjährige Geliebte, man würde heute eher Lebensgefährtin sagen, eines Kirchenmannes. Und der war kein Geringerer als Rodrigo Borgia, der 1492 als Alexander VI. Papst wurde! Solche Liebschaften waren in Zeiten, in denen eher aus politischen und strategischen Gründen denn aus Überzeugung kirchliche Karrieren eingeschlagen wurden, nicht ungewöhnlich. Vannozza blieb aber ungefähr zwei Jahrzehnte an der Seite Borgias, was durchaus bemerkenswert ist. Woher sie kam, ist nicht bekannt. Manche behaupten, sie entstamme dem römischen Kleinadel, andere, sie sei die Tochter eines Malers gewesen.

Rodrigo Borgia hatte auch aus früheren Beziehungen Kinder, es sollten jedoch seine Nachkommen mit Vannozza werden, die in die Weltgeschichte eingingen. Juan, Cesare, Lucrezia und Jofré (bei letzterem hatte Borgia aber lange Zweifel bezüglich der Vaterschaft, denn um den Schein zu wahren, war Vannozza mit einem anderen Mann verheiratet). Sie wurden nach der Papstwahl ihres Vaters zu wichtigen Spielfiguren der Kurie. Das könnt ihr auch in meinen Artikeln „Mafia im Vatikan?“ von Juni 2018 und „Im Namen der Familie“ von September 2018 nachlesen.

Vannozza war bei all dem sehr im Hintergrund, versuchte aber wohl, ein wenig familiäre Zuneigung zu bewahren. Es war nach einem Bankett in ihrem Haus, dass ihr Sohn Juan spurlos verschwand und später ermordet aus dem Tiber gefischt wurde. Den politischen Fall der Familie nach dem Tod von Rodrigo Borgia überstand Vannozza allerdings schadlos: Sie war wirtschaftlich abgesichert und führte in und um Rom einige Weingüter und Herbergen, und sie galt als ehrbare, fromme und wohltätige Frau. In diesem Sinne zeigt sie auch das Gemälde. Sie lebte bis 1518 – alle Kinder, bis auf Lucrezia, die ihr ein Jahr später folgen sollte, waren bereits vor ihr gestorben.

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~ 14. Türchen ~
Gustav I. Wasa (1496-1560)

 

 

Hier muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich das Bild nicht in besserer Qualität finden konnte. Der Name von Gustav Wasa und seiner Dynastie, gekennzeichnet durch eine Kornähre im Wappen, erinnert mich immer an eine gewisse schwedische Knäckebrotmarke. Gustav, auch genannt Gustav Eriksson, scheint auch ein Trendsetter sowohl in Sachen Pilzkopf-Frisur als auch des akkurat gepflegten Hipster-Barts gewesen zu sein.

Schweden gehörte damals zur sogenannten Kalmarer Union, bestehend aus Norwegen, Schweden und dem dominierenden Dänemark. Gustav führte einen Aufstand an, der im Schwedischen Befreiungskrieg mündete. 1523 wurde er dann zum König gewählt. Auf dieses Ereignis geht der heutige schwedische Nationalfeiertag zurück. Er machte Schweden zu einer erblichen Monarchie. Auch die Reformation fällt damit und mit seiner Ernennung zum Oberhaupt der (protestantischen) schwedischen Kirche in Gustavs Regierungszeit.

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~ 15. Türchen ~
Margarete von Österreich (1480-1530)

 

 

Wir kehren zurück zur Familie Habsburg, deren Vertreterin Margarete von Österreich hier als Kind zu sehen ist. Die Habsburger Unterlippe ist gut zu sehen, vergleicht man die Darstellung mit anderen Portraits von ihr, drängt sich aber der Eindruck auf, dass sie hier einfach nicht besonders gut getroffen ist. Dazu trägt auch der seltsame Hut bei…

Margarete war übrigens die Tante von Karl V. aus Türchen 10 und fungierte als dessen Erzieherin an ihrem Hof in Flandern. Sie war bereits als junge Frau zweifach verwitwet (ihre erste Ehe mit Karl VIII. von Frankreich von Türchen 12 hatte nur auf dem Papier bestanden) und blieb dann ledig, um als Statthalterin der Niederlande politisch aktiv zu werden. Für Karl war sie, auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren, damit eine wichtige Stütze. Ihr vielleicht wichtigster diplomatischer Verdienst war der sogenannte Damenfriede von Cambrai, den sie mit Louise von Savoyen schloss. Diese war die Mutter des französischen Königs Franz I., den man als Erzrivalen von Karl sehen kann. Die beiden hatten sich im Krieg so miteinander verkracht, dass sie nicht verhandeln wollten, und deshalb regelten das die beiden Frauen.

Margarete war auch eine wichtige Mäzenin und förderte Gelehrte und Künstler an ihrem Hof. Dafür war sie so berühmt, dass sogar Anne Boleyn, die spätere Ehefrau Heinrichs VIII. von England, zur Erziehung zu Margarete geschickt wurde!

Ich „kenne“ Margarete noch gar nicht so lange und bin von ihrem Lebensweg sehr beeindruckt – mehr über sie gibt es in meinen Artikeln „Flandern sehen und … lesen!“ und „Feminine Diplomatie“ von September und Oktober 2019 zu erfahren.

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~ 16. Türchen ~
Karl II. von Spanien (1661-1700)

 

 

Kommen wir zu dem Habsburger, bei dem sich die Heiratspolitik seiner Dynastie spätestens rächte. Darüber kann man tatsächlich nicht mehr wirklich lachen. Sein Vater, Philipp IV. von Spanien, hatte kurzerhand die Braut seines verstorbenen Sohnes geheiratet, deren Onkel er auch war. Karl war der einzige männliche Nachkomme und wurde schon im Alter von drei Jahren König. Leider war Karl neben den typischen körperlichen „Habsburger-Merkmalen“ offensichtlich auch geistig nicht völlig gesund und deshalb abhängig von den Beratern seiner Mutter und seinen Ehefrauen – auch volljährig war er mehr oder weniger regierungsunfähig. Nachdem er kinderlos starb, zettelten die europäischen Mächte den Spanischen Erbfolgekrieg an, aus dem die Franzosen siegreich hervorgingen. Mit Philipp V. von Anjou lösten die Bourbonen die Habsburger auf dem spanischen Thron ab, wo sie bis heute sitzen.

Die inzestuöse und vor allem jahrhundertelang praktizierte Heiratspolitik der Fürstenhäuser ist vermutlich der Hauptgrund für Karls katastrophalen Gesundheitszustand, der ihm den Beinamen „der Verhexte“ einbrachte. Ich zitiere der Einfachheit halber aus der Wikipedia: „Aufgrund von Ahnenverlust zählte die fünfte Generation der Vorfahren Karls statt der möglichen 32 lediglich zehn Personen und alleine seine sechs Urgroßeltern stammen direkt von Johanna von Kastilien ab.“

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~ 17. Türchen ~
Anne Marie Louise d’Orléans (1627-1693)

 

 

Die Herzogin von Montpensier war die Cousine vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. Da ihre Mutter direkt nach der Geburt starb, wurde sie zur reichsten Frau Frankreichs und nahm nach der Königin den zweithöchsten Rang ein. Zudem verfügte sie über eine gute Bildung und führte zeitweise einen Salon in Paris. Nicht von ungefähr bekam sie also vermutlich ihren Beinamen „La Grande Mademoiselle“. Und eine Mademoiselle blieb sie ziemlich lange: Irgendwie schaffte sie es, sich den zahlreichen Versuchen, sie standesgemäß (und für die französische Politik vorteilhaft) zu verheiraten, zu widersetzen. Einmal wurde sie dafür (und auch, weil sie während des Adelsaufstandes namens „Fronde“ von der Bastille aus Kanonen gegen die königlichen Truppen hatte abfeuern lassen) sogar von ihrem königlichen Vetter von Hof verbannt.

Mit knapp vierzig Jahren verliebte sie sich in den Herzog von Lauzun, einen drittgeborenen Grafensohn, der im Militärdienst und am Hof aufgestiegen war, es sich mit seiner Aufmüpfigkeit beim König aber immer wieder zeitweise verscherzte. So gesehen passte er ganz gut zur ebenfalls selbstbewussten und renitenten Herzogin. Die geplante Heirat des „Emporkömmlings“ mit der reichen Anne Marie sorgte für einen Skandal am Hof, gleichzeitig überwarf sich Lauzun mit der Mätresse Ludwigs XIV., sodass der König seine Erlaubnis widerrief und den Bräutigam in der Bastille inhaftieren ließ. „La Grande Mademoiselle“ musste einige ihrer Güter an den unehelichen Sohn des Königs und seiner Mätresse (Madame de Montespan) abtreten, um Lauzun nach zehnjähriger Gefangenschaft freizubekommen. Wahrscheinlich hatten sie schon davor heimlich geheiratet und führten die Beziehung auch fort, gingen jedoch drei Jahre später getrennte Wege. Lauzun machte nämlich keine Anstalten, sein Dasein als Lebemann und Schürzenjäger zu beenden. Anne Marie nutzte ihre Zeit dann, um ihre Memoiren fertigzustellen. Eine Menge erlebt hat sie ja! Für den Adventskalender habe ich sie aber speziell wegen der großartigen Kopfbedeckung ausgewählt.

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~ 18. Türchen ~
Charles de Valois (1459-1496)

 

 

Dieser Herr mit den markanten Gesichtszügen ist hier vor allem in ungünstigem Winkel abgebildet worden. Als Graf von Angoulême, einer Nebenlinie des französischen Königshauses Valois, heiratete er Louise, eine Tochter des Hauses Savoyen. Da er sechs Jahre nach der Hochzeit starb, erlangte sie auch weitaus mehr politischen Einfluss als er – denn Charles hinterließ einen Sohn, Franz. Und der wurde zuerst den Thronfolger des gleichfalls kinderlosen Verwandten, Ludwig XII., und 1515 schließlich König von Frankreich. Dass er sich dabei als Kunstmäzen und Renaissancefürst inszenierte, hat er vielleicht von seinem Vater geerbt, denn auch Charles soll ein Kulturförderer gewesen sein.

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~ 19. Türchen ~
Jane Seymour (ca. 1509-1537)

 

 

Jane Seymour könnte locker den Wettbewerb „Wie ich auf einem Staatsportrait möglichst sauertöpfisch dreinblicke“ gewinnen. Bei heutigen Tudor-Fans ist sie ohnehin nicht besonders wohlgelitten, verlobte sich der englische König Heinrich VIII. doch just an jenem Tag mit ihr, an dem er seine zweite Frau Anne Boleyn unschuldig enthaupten ließ. Wahlweise als Opfer ihrer machthungrigen Familie, berechnende Manipulatorin oder dummes Schaf beurteilt, war Jane als seine dritte Gattin wahrscheinlich irgendwas dazwischen. Und wohl gut beraten, einen Heiratsantrag des Königs nicht abzulehnen – nachdem ihre ambitionierte Vorgängerin auf dem Schafott geendet hatte, tat Jane gut daran, sich etwas zurückhaltender zu inszenieren. Besonders viel Glück war ihr leider auch nicht beschieden, denn sie starb ein gutes Jahr darauf im Kindbett. Immerhin nach der Geburt des ersehnten Thronfolgers (Edward VI.), sodass Heinrich sie als seine einzig wahre Königin betrachtete (insgesamt hatte er schließlich sechs Stück) und sich auch neben ihr bestatten ließ.

Das Gemälde hat Hans Holbein angefertigt, den wir bereits von Türchen 5 kennen. Wir dürfen also annehmen, dass die Darstellung einigermaßen naturgetreu ist. Ein Zeitgenosse versuchte, ihr noch zu schmeicheln, indem er sagte, dass Anne Boleyn (bekannt für ihre schlichte, aber erlesene Garderobe) stets schlechter ausgesehen habe, je aufwändiger sie gekleidet war, Jane hingegen in prachtvoll ausgestatteten Gewändern nur NOCH schöner gewirkt hätte. Der Historiker Eric Ives kontert:

„Anyone familiar with Holbein’s portrait of Jane Seymour might be forgiven for feeling that she needed all the help she could get“. (The Life and Death of Anne Boleyn, S. 360-361.)

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~ 20. Türchen ~
Ludwig Philipp II. Joseph, Herzog von Orléans (1747-1793)

 

 

Kinder zu malen ist in der Vergangenheit oft nicht so ganz geglückt, wenn wir nur an Margarete von Österreich denken. Dieses Beispiel aus dem 18. Jahrhundert sieht zwar realistischer aus, aber… Erstaunlich ist vielleicht, dass es sich um einen Jungen handelt. Es war damals üblich, bis zu einem gewissen Alter auch männliche Kinder Kleider tragen zu lassen, und ich habe ehrlich gesagt nicht final rausgefunden, weshalb. Möglicherweise sollte es die kindliche Unschuld und Schwäche symbolisieren, die dann abgelegt wurde, wenn die Jungen begannen, Hosen zu tragen. Männer seien also gewissermaßen irgendwann den Kleidern entwachsen, während Frauen als das schwächere Geschlecht eben immer Kleider getragen hätten. Falls das jemand besser weiß, gerne her mit den Infos!

Es handelt sich um Louis-Philippe II., den Herzog von Orléans, seines Zeichens hochrangiges Mitglied der französischen Königsfamilie. Durch seine Heirat mit einer Urenkelin des Sonnenkönigs wurde er auch noch zu einem der reichsten Männer des Landes. Und sowohl König Ludwig XV. als auch Ludwig XVI. machte er das Leben schwer, da er immer wieder gegen den Hof und die Politik opponierte und engen Kontakt mit dem englischen Thronfolger pflegte. Seine liberale Gesinnung allerdings machte ihn bei den einfachen Leuten beliebt, was ihm den Beinamen „Philippe Égalité“ einbrachte. Vor allem nämlich gehörte er beim Einsetzen der Revolution zu jenen Adeligen, die sich mit dem dritten Stand verbündeten und sich für eine Verfassung einsetzten. Womöglich hatte er aber auch bloß im Sinn, Ludwig XVI. auf dem Thron zu ersetzen. Er stimmte auch für die Hinrichtung des Königs. Dann aber wurde ihm die Familienzugehörigkeit und der Verdacht, eben doch ein Royalist zu sein, allerdings zum Verhängnis. 1793 wurde er verhaftet und im Zuge der Terrorherrschaft guillotiniert. Sein rechtzeitig geflüchteter Sohn kam nach der Julirevolution 1830 als „Bürgerkönig“ doch auf den Thron, wurde aber 1848 wiederum abgesetzt.

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~ 21. Türchen ~
Elizabeth I. von England (1533-1603)

 

 

Die meisten Portraits zeigen die durchaus selbstbewusste Königin in den gefühlt prächtigsten Kleidern der Weltgeschichte, über und über mit Schmuck und Dekorationen behangen, kurz: protzig. Dieses nicht genau datierte Gemälde dagegen bildet sie wahrscheinlich recht kurz nach ihrer Thronbesteigung ab. Der Schmuck und die Pelze demonstrieren zwar ihren hohen Rang, dennoch soll sie hier ganz eindeutig als tugendhaft, besonnen und absolut uneitel dargestellt werden. Nämlich als Protestantin. Ihr Vater, Heinrich VIII., hatte sich zwar von Rom losgesagt, um Elizabeths Mutter heiraten zu können, hatte beim Protestantismus aber nur Anleihen gemacht. Wirklich etablieren wollte die neue Konfession dann der Sohn Edward VI. Nach dessen frühen Tod war aber die ältere Halbschwester Maria als glühende Katholikin (wenn auch etwas unfair als „Bloody Mary“ betitelt) auf den Thron gekommen und wollte diese Entwicklung wieder rückgängig machen. Die protestantisch erzogene Elizabeth war zu jenem Zeitpunkt also die Hoffnungsträgerin der Protestanten in England, und mit Sicherheit steht dieses Gemälde (und auch die Bibel in ihrer Hand) genau dafür. Nachdem sie sich als Königin etabliert hatte, änderte sich das Bildprogramm gewaltig, und Elizabeth inszenierte sich als luxusliebende Mode-Ikone und „Gloriana“.

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~ 22. Türchen ~
Robert Dudley, Earl of Leicester (1532-1588)

 

 

In diesem Bild ist es eher die modische Staffage, die den Mann etwas schräg erscheinen lässt. Na gut, und der Schlafzimmerblick. Man kann wohl sagen, dass sich Robert Dudley seines Standes wohl bewusst war, ich würde mal schätzen, das Bild ist nicht ganz frei von Eitelkeit entstanden. Passt ganz gut zum Türchen von gestern? Exakt! Er war Zeit seines Lebens einer der engsten Vertrauten von Elizabeth I. von England. Und wahrscheinlich ein bisschen mehr als das. Ob sich die „Virgin Queen“ wirklich zu einer Affäre hinreißen ließ, ist sehr umstritten, aber es gilt als sicher, dass sie Dudley äußerst gerne geheiratet hätte – was politische Verwicklungen und den Neid aller anderen Höflinge nach sich gezogen hätte.

Ironischerweise war es gerade der Tod seiner Frau, der Dudley zwar wieder frei werden ließ, die Hoffnungen auf eine Ehe mit der Königin aber ruinierte. Amy Dudley starb sehr jung bei einem unglücklichen Sturz von einer Treppe, und seither wird spekuliert, ob Lord Robert, die Königin oder beide ein bisschen nachgeholfen haben könnten. So einem Skandal konnte sich Elizabeth allerdings nicht aussetzen, sie blieb zeitlebens unverheiratet. Dudley wurde mit Ämtern und Würden ausgestattet und blieb stets ihr Favorit. Als er aber 1578 heimlich die Hofdame Lettice Knollys heiratete, tobte Elizabeth vor Eifersucht und verbannte die junge Frau für immer aus ihrer Nähe. Dudley selbst durfte aber in ihre Gunst zurückkehren und sein Tod 1588 traf sie sehr schwer. Was für großartige Doppelportraits hätte man anfertigen können, wenn die beiden geheiratet hätten!

Mehr über den Todesfall von Amy Dudley und den grandiosen Roman „Im Schatten der Königin“ von Tanja Kinkel könnt ihr in meinem Artikel „Einsames Sterben“ vom November 2018 nachlesen.

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~ 23. Türchen ~
Eleonore von Kastilien (1498-1558)

 

 

Diese Renaissance-Dame war durch ihre Ehen Königin gleich zweier Länder, Portugal und Frankreich. Gebürtig war sie die älteste Schwester von Karl V. (Türchen 10) und Katharina von Kastilien (Türchen 1). Auch sie wuchs also bei Margarete von Österreich (Türchen 15) in Flandern auf und erhielt eine gute Erziehung. Zu ihrem königlichen und dann kaiserlichen Bruder soll sie ein gutes Verhältnis gehabt haben, zog sich allerdings seinen Unmut zu, als sie Liebesbriefe mit dem Pfalzgrafen Friedrich II. austauschte. Im Alter von 20 Jahren wurde sie 1519 mit Emanuel I. von Portugal verheiratet. Sicherlich ein großes Vergnügen, er war 30 Jahre älter und zuvor schon mit zwei Tanten von Eleonore verheiratet gewesen.  Ein Sohn aus dieser Verbindung starb noch im ersten Lebensjahr, die Tochter, Maria, heiratete niemals und widmete sich ganz der Kunst und Kultur.

Nach drei Jahren war Eleonore verwitwet und sollte 1526 im Zuge des Friedens von Madrid mit dem französischen König Franz I. verheiratet werden. Die politischen Querelen zwischen Franz und Kaiser Karl zogen sich allerdings noch bis zum Damenfrieden von Cambrai 1529 hin (nachzulesen in meinem Artikel „Feminine Diplomatie“ vom Oktober 2019). Erst durch dieses Abkommen wurde die Ehe endgültig vereinbart und Eleonore Königin von Frankreich. Aus dieser Verbindung gingen keine Kinder hervor und Franz vergnügte sich lieber mit seiner offiziellen Mätresse. Trotzdem erfüllte Eleonore nach außen ihre repräsentative königliche Rolle und versuchte, zwischen Frankreich und den Habsburgern zu vermitteln. Als Witwe hielt sie sich in Brüssel und in Spanien auf und verbrachte viel Zeit mit einer ihrer Schwestern, bevor sie kurz nach dem Aufbruch zu einer Pilgerreise starb. Ich habe sie vor allem gewählt, weil sie auf dem Bild ein bisschen sauertöpfisch aussieht. Aber ihr dürft euch festhalten – für das letzte Türchen morgen habe ich das absolute Highlight der Highlights ausgesucht!

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~ 24. Türchen ~
Leopold I. (1640-1705)

 

 

Ich schreibe gleich weiter, ich lache bloß noch… Also, zugegebenermaßen trägt der Kaiser hier ein Theaterkostüm, aber auf den anderen Bildern kommt er auch nicht so viel besser weg. Wer den Adventskalender aufmerksam verfolgt hat, wird hier auch wieder die berühmte Habsburgerlippe erkennen. Die Heiratstradition seiner Dynastie führte Leopold dann auch selbst fort: In erster Ehe heiratete er die spanische Infantin Margarita Teresa, die zugleich seine Nichte und seine Cousine (!) war. Die beiden folgenden Frauen waren jeweils Cousinen 2. Grades.

Leopold war als nachgeborener Sohn eigentlich für eine kirchliche Laufbahn vorgesehen gewesen, was sowohl seine gute Bildung als auch seine Tendenz zur Gegenreformation erklärt. Nach dem Tod seines Bruders musste er aber die politische Verantwortung für die habsburgischen Erblande übernehmen und konnte sich letztlich auch bei der Kaiserwahl durchsetzen. Nachdem er sich zunächst weitgehend auf seine Berater gestützt hatte, glich er seinen Regierungsstil an denjenigen des französischen Königs Ludwig XIV. an und versuchte, möglichst absolutistisch zu herrschen. Das war in der Praxis natürlich nur bedingt umsetzbar, im Hinblick auf die Vergrößerung des Machtbereichs der Habsburger war er aber durchaus erfolgreich. Sein Motto war „Durch Rat und Fleiß“ und seine Hofhaltung war sehr katholisch geprägt. So ist beispielsweise nicht bekannt, dass Leopold außereheliche Affären gehabt hätte. Generell wird er als umsichtig und in seinem politischen Handeln bedächtig beschrieben und trat im Reich auch für eine Balance der christlichen Konfessionen ein. Gleichzeitig vertrieb er aber auch die jüdische Gemeinde aus Wien, deren Gebiet nach ihm „Leopoldstadt“ genannt wurde.

Sein Handeln lässt sich in so einem kurzen Absatz nicht näher behandeln, mit diesem großartigen Gemälde ist Leopold I. meiner Meinung nach aber wirklich ein würdiges 24. Türchen.

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