Ausschnitt aus dem Cover des Romans "Der Getreue des Herzogs" von Johanna von Wild

Wutbürger in Württemberg? | Johanna von Wild: Der Getreue des Herzogs *

Die Umtriebe von Herzog Ulrich

* Dieses Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt. Der Themenschwerpunkt meines Artikels und der Inhalt meiner Rezension bleiben davon unberührt.

Hier ist es eine Weile ruhig gewesen – wer mir auf den sozialen Plattformen folgt, hat vielleicht mitbekommen, dass ich im September ziemlich spontan umgezogen bin und im Angesicht des Chaos weder zum Lesen, noch zum Schreiben neuer Artikel gekommen bin. Jetzt bin ich wieder mit einer Wohnung, Internet und einem Bibliothekszugang ausgestattet und es kann endlich weitergehen. Heute habe ich erneut ein Buch für euch, das in meiner alten Heimat spielt. Johanna von Wild ist auf dem Blog hier schon mit ihrem ersten Roman „Die Erleuchtung der Welt“ vertreten und schreibt nun über Ulrich, den Neffen von Eberhard im Barte. Auch mit „Der Getreue des Herzogs“ geht es, basierend auf wahren Ereignissen, wieder rund im Hause Württemberg!

[Einige der hier geschilderten historischen Ereignisse kommen natürlich auch im Roman vor. Wer nicht gespoilert werden will: Hier geht es direkt zur Rezension.]

1. Ein herrischer Herzog

1498. Johannes verdingt sich als Küchenjunge auf dem Schloss Hohentübingen. Dort freundet er sich mit dem beinahe gleichaltrigen Ulrich an. Freundschaften schließen – das ist nicht einfach für den Neffen von Graf Eberhard im Barte, der die Geschicke des Hauses Württemberg lenkt. Und Ulrich ist schon als Kind aufbrausend und herrisch, denn er kennt es nicht anders. Nur Johannes, der dank seines hochrangigen Gefährten eine hervorragende Schulbildung erhält, steht treu zu ihm. Und nur Johannes kann es wagen, Ulrich Widerworte zu geben.

Ulrich etabliert sich auf Kosten anderer

Der Historiker Franz Brendle bezeichnet Ulrich als eine „in vielen Facetten schillernde Person“.1 Glanzvoll war auch der Aufstieg des Hauses Württemberg im Spätmittelalter. Graf Eberhard, dessen Mutter wir in Johanna von Wilds erstem Roman kennengelernt haben, wurde 1495 zum Herzog erhoben – eine enorme Rangerhöhung! Das Herzogtum, Teil des Schwäbischen Bundes, stellte damit das größte Territorium im Heiligen Römischen Reich dar und bot natürlich auch umgekehrt dem künftigen Kaiser Maximilian I. ganz neue Zugriffsmöglichkeiten im Südwesten.2 Die bewies er nach dem Tod Graf Eberhards: Der neue Herzog, Eberhard der Jüngere, galt als unfähig und wurde kurzerhand abgesetzt (und auf der Burg Hohenurach eingekerkert, was sicherlich kein Vergnügen war). Deshalb wurde der 1487 geborene Ulrich schon im Alter von elf Jahren an die Stelle seines mundtoten Vaters gesetzt.3 Erzogen wurde er von den Räten, die bis zu seiner Volljährigkeit auch die Regierung führten. Er lernte alles, was ein Ritter können musste und fand insbesondere an der Jagd großen Gefallen, ebenso wie am Glücksspiel und der Musik. Fremdsprachen und andere Bildungsinhalte kamen ein wenig zu kurz, zumindest aber beherrschte er etwas Latein. Vermutlich machte er dabei laut Werner Fratsch die Erfahrung, „dass er als Fürst unumschränkt Befehle erteilen konnte, denen andere widerspruchslos folgen mussten.“4 Ganz so widerspruchslos ging es aber doch nicht, wie sein weiterer Werdegang später beweisen sollte. Und auch Ulrichs Ehefrau erwies sich als nicht gerade gefügig.

Herzog Ulrich von Württemberg
Herzog Ulrich von Württemberg. (Bildquelle5)

Hochzeit ganz ohne schwäbischen Geiz

Schon im Alter von 16 Jahren wurde Ulrich durch Kaiser Maximilian für volljährig erklärt, der diesen damit enger an die Reichspolitik binden wollte (sehr zum Unwillen der Räte, die sich einen jungen Marionettenherzog erhofft hatten). Und natürlich brauchte Ulrich eine Ehefrau. Im Zuge seiner Mündigkeitserklärung wurde er mit Sabina von Bayern verlobt, was der Überlieferung nach beide Eheleute nicht gerade begeisterte. Für Ulrich bedeutete die Ehe mit der Wittelsbacherin, einer Nichte des Kaisers, einen enormen Aufstieg. Er hatte allerdings ein Auge auf die Tochter des Markgrafen von Brandenburg geworfen, die er regelmäßig in Nürtingen besuchte. Immer wieder schob er die anstehende Hochzeit mit Sabina vor sich her, bis sich der Kaiser persönlich einschaltete. Und wenn schon die Eheschließung nicht nach Ulrichs Geschmack war, sollte es wenigstens das Fest sein: Die Feierlichkeiten im Alten Schloss in Stuttgart zogen sich über eine Woche hin. Unter anderem wurden 136 Ochsen, 1.800 Kälber, 130 Schweine und mehr als 5.000 Hühner zubereitet. Durch das Spektakel fiel auch etwas für die einfache Bevölkerung ab, die an vielen Stellen in der Stadt verköstigt wurde. Zwischen Ulrich und Sabina allerdings stellte sich keine Sympathie ein.6 Zumindest standen sie einander dabei offenbar in Nichts nach:

[N]icht nur Ulrich hatte tyrannische Züge, auch Sabina konnte grob, aufbrausend und verletzend sein.7

2. Aufsässige Bauern

Damit, dass Ulrich das Geld mit vollen Händen ausgab, waren auch die Bauern und die einfacheren Leute in den Städten unzufrieden. Bereits 1514 war ein Aufstand ausgebrochen, der Ulrichs Herrschaft ernstlich gefährdete: der sogenannte „Arme Konrad“. Die politischen Manöver und der verschwenderische Lebensstil des Herzogs machten immer höhere Steuern notwendig. Insbesondere eine Verbrauchssteuer auf Fleisch schadete denen, die ohnehin schon kaum etwas hatten. In Beutelsbach bei Schorndorf warf der dortige Gaispeter das neue Maßgewicht eines Metzgers aus Protest in die Rems und scharte bald einige Hundert weitere Widerständler um sich.8 Sah es zunächst so aus, als könnte man den Protest noch einigermaßen abwiegeln, verbreiteten sich die Unruhen bald wie ein Flächenbrand. In Markgröningen bewaffnete sich gar „ein Großteil der Gemeinde“9. Obwohl Ulrich zur Besänftigung die Fleischsteuer zurücknahm, ließ sich die Bewegung nicht mehr aufhalten und formierte sich unter dem Namen „Armer Konrad“. Immer wieder wurden dabei die Kirchweihfeste genutzt, um sich an größere Menschenmengen zu wenden und sich Gehör zu verschaffen.10 Mit Erfolg: Zwar versuchte Ulrich, die Kirchweihfeste zu verbieten, er musste aber auch einen Landtag einberufen, um einen Kompromiss zu finden.11

Sonderbriefmarke anlässlich des 500-jährigen Jubiläums des "Armen Konrads". Die Bewegung richtete sich auch gegen Herzog Ulrich.
Sonderbriefmarke des Jahres 2014 anlässlich von „500 Jahre Armer Konrad“. Sie zeigt Reinhard Gaißer, einen der intellektuellen Anführer der Bewegung. (Bildquelle12)

Der „Arme Konrad“ hatte die Bereitschaft demonstriert, seinen Forderungen auf ganz handfeste Weise Nachdruck zu verleihen. Gefordert wurden mehr politische Mitbestimmungsrechte für den gemeinen Mann, die Eingrenzung der Macht der sogenannten Ehrbarkeit (die städtische Oberschicht, die oft wichtige Ämter in der Gemeinde innehatte) bis hin zu einer eigenen Interessensvertretung und der Absetzung bestimmter Amtsinhaber. Interessant ist dabei, dass die Widerständler es vermieden, Herzog Ulrich direkt zu kritisieren: Sie richteten ihre Beschwerden stets gegen die Amtsträger und nicht gegen seine Person selbst.13 Der „Arme Konrad“ ist dabei vergleichbar mit der Bundschuhbewegung, die einige Jahre davor am Oberrhein etabliert worden war.14 Beide waren Vorläufer des Bauernkrieges von 1525.

Schließlich kam es zu einer Einigung: Der „Arme Konrad“ stellte den Protest ein und erkannte den Landtag als Mittel zur Konfliktlösung an. Vielerorts setzten die Widerständler aber tatsächlich eine eigene Interessensvertretung als Gegengewicht zur Ehrbarkeit durch.15 Ganz offensichtlich hatte die Obrigkeit die Protestbereitschaft als Bedrohung verstanden. Aber auch im Adel brodelte es.

3. Herzog Ulrich, ein Mörder?

Dass es in der glücklosen Ehe zwischen Ulrich und Sabina wahrscheinlich sogar zu Handgreiflichkeiten kam, wird auch im Roman aufgegriffen. Vergeblich versucht Johannes, zwischen den Eheleuten zu vermitteln. Ulrich die Treue zu halten, fällt ihm immer schwerer: Hat doch seine große Liebe Sophie ausgerechnet seinen Erzrivalen, den Kanzler Ambrosius Volland, heiraten müssen. Und dann begeht Ulrich eine Tat, die man selbst einem Herzog nicht verzeihen kann.

Weil er mit seiner Gattin nicht glücklich war (und weil er es konnte), vergnügte sich Ulrich gerne mit den Damen seiner Umgebung. Eine davon war Ursula, die Tochter des Erbmarschalls Konrad Thumb von Neuburg. Der Marschall war ein wichtiger Gefährte des Herzogs und begleitete ihn zu vielen Vergnügungen. Das tat auch Hans von Hutten in seinem Amt als Stallmeister.16 Wohl dadurch wurde von Hutten erst mit Ursula Thumb von Neuburg bekannt: Ulrich tröstete sich angeblich durch häufige Besuche beim Erbmarschall über die unglückliche Ehe hinweg, und bei diesen Besuchen war auch Hans von Hutten oft dabei. 1514 heiratete der Stallmeister die schöne Ursula – höchstwahrscheinlich „aus Neigung“, auch wenn die Ehe eine durchaus vorteilhafte Verbindung für beide darstellte.17

Offenbar hatte aber auch der Herzog Zuneigung zu Ursula gefasst und war bekanntermaßen keinen Widerspruch gewohnt. Es ist nicht eindeutig überliefert, wie genau sich sein Verhältnis zu Ursula gestaltete (und was sie davon hielt), aber ganz eindeutig war Ulrich etwas zu häufig bei der Familie Thumb von Neuburg und insbesondere auch im „Frauenzimmer“ zu Gast. Das fiel auch anderen auf und drohte, sich zu einem Skandal auszuwachsen, den Hans von Hutten nicht mehr ignorieren konnte: Er stellte seinen herzoglichen Freund zur Rede.

Die von Huttens behaupteten, der Herzog habe Hans auf Knien angefleht „zu gestatten, das Er seine Eeliche haussfrau liebhaben möge“18 – dass er also die (angestrebte oder bereits bestehende) Affäre erlauben solle. Das wiederum bezeichnete Ulrich als Erfindung des „lychtfertigen flaischbösewicht Hans von Hutten“19. (Wer auf der Suche nach alten schwäbischen Beschimpfungen ist, wird in dieser Episode wohl fündig.) Ganz im Ernst aber hatte von Hutten das Nachsehen. Er ahnte, dass die Buhlerei für ihn schwerwiegende Folgen haben könnte und bat um seine Entlassung, die der Herzog aber nicht gewährte.

Mord im Schönbuch

Es war wohl weniger die Dreieckskonstellation in Liebesdingen, die zum Eklat führte, sondern die Tatsache, dass Hans von Hutten den leidenschaftlichen Ausbruch von Herzog Ulrich bekannt machte und sogar unterstellte, er habe Ursula unter Androhung von Gewalt zum Ehebruch gezwungen.20 Dadurch fühlte sich Ulrich, der ja ohnehin ein aufbrausendes Wesen hatte, in seiner Ehre und Ritterlichkeit gekränkt.21 Am 7. Mai 1515 unternahm der Herzog mit seinem Gefolge einen Jagdausflug im Schönbuch bei Böblingen, dem sich auch Hans von Hutten anschloss. Im Wald, da ist sich die Überlieferung einig, schickte Ulrich alle Begleiter weg und griff seinen unbewaffneten Stallmeister an. Dessen Schreie sollen bis in die umliegenden Dörfer gedrungen sein, entrinnen konnte von Hutten dem rasenden Ulrich aber nicht. Er wurde mit mindestens sieben Stichverletzungen getötet und anschließend vom Herzog an einen Baum geknüpft.22 Damit wollte Ulrich sich vom Vorwurf des Mordes reinwaschen und den Eindruck erwecken, es habe sich um eine „ordnungsgemäße“ Hinrichtung im Rahmen des Femerechts gehandelt. Dazu war Ulrich theoretisch befugt, da er als Richter über den Landfrieden wachte und seinen Stallmeister des Eidbruchs bezichtigen konnte.23

Herzog Ulrich ermordet Hans von Hutten im Böblinger Forst. (Bildquelle24)

Das sahen selbst die wohlwollenderen Zeitgenossen allerdings etwas anders und sowohl in Ulrichs näherer Umgebung als auch dem ganzen Reich kursierte bald die Gewissheit, der Herzog habe Hans von Hutten hinterrücks und hinterhältig gemeuchelt. Dass er ihn umgebracht hatte, war klar. Ob der Herzog sich aber des Ehebruchs schuldig gemacht oder zu Unrecht von Hans von Hutten verleumdet worden war, blieb Gegenstand eines erbitterten Streits. Die von Huttens trugen den Fall bis vor den Kaiser und hatten dabei gewissermaßen die Medien auf ihrer Seite: Ein Vetter des Verstorbenen war Ulrich von Hutten, ein Humanist und Dichter, der das Ereignis verarbeitete und sich nicht scheute, den Herzog als tyrannischen Herrscher zu zeichnen und in antiker Manier eine Serie von Reden gegen Ulrich zu entwerfen. Auch der oben gezeigte Holzstich des Ereignisses stammt aus einer Schrift von Huttens.

Zusätzlich eskalierte der Streit mit der Herzogin. Sabina von Bayern hatte sich wohl schon länger mit dem Gedanken getragen, Ulrich zu verlassen. Der Mord an Hans von Hutten könnte das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Sabina verbündete sich mit Dietrich Spät, einem hohen Adeligen, der dem Herzog den Tod des Standesgenossen ebenfalls übel nahm. Er war der Obervogt von Urach, wo Sabina seit der Geburt ihres Sohnes Christoph lebte. Bevor Ulrich sie nach Stuttgart zitieren konnte, flüchtete sie im November 1515 zu ihrer Familie nach Bayern. Sie gab an, um ihr Leben zu fürchten, weil Ulrich sie übel misshandelt haben soll, und sah ihren Gatten zeitlebens nie wieder. Dietrich Spät war einer ihrer Fluchthelfer.25

Sabina von Bayern, deren persönliches Unglück eng mit ihrer politischen Rolle zusammenhing. (Bildquelle26)

4. Die Krise

Die Ereignisse dieser Jahre hätten Herzog Ulrich zeigen können, dass man sich selbst in seiner Position nicht aufführen konnte wie die buchstäbliche Axt im Walde. Die Partei der von Huttens und die Unterstützer von Herzogin Sabina verbündeten sich mit anderen unzufriedenen Adeligen (die ja ohnehin alle untereinander verbandelt und verschwägert waren) und arbeiteten auf eine Absetzung des Herzogs hin – bei keinem Geringeren als dem Kaiser.27 Der versuchte zwar, im Hintergrund eine gütliche Einigung zu erzielen, sprach aber dennoch im Oktober 1516 die Reichsacht über Ulrich aus. Heißt: Die Württemberger waren ihrem Herrn nicht mehr zur Gefolgschaft verpflichtet. Diese Entmachtung nahm Ulrich aber nicht an und ließ noch im selben Jahr drei seiner Vögte, Konrad und Sebastian Breuning sowie Konrad Vaut, wegen Hochverrats foltern und hinrichten – eine neuerliche Brutalität.28 (Und eine Verbindung zu der Geschichte von Magdalena Morhart aus dem Roman „Die Herrin der Lettern“, die eine Nachfahrin der Breunings war.) Welche Rolle der Kanzler Ambrosius Volland dabei spielte, verrate ich an dieser Stelle nicht; lest lieber die Version, für die sich Johanna von Wild in ihrem Roman entschieden hat!

Ambrosius Volland, der Kanzler von Herzog Ulrich.
Ambrosius Volland, der auch im Roman eine gewichtige Rolle spielt und dem man einen eigenen Beitrag widmen könnte. (Bildquelle29)

Das Rad der Fortuna drehte sich aber auch für Herzog Ulrich weiter. Unmittelbar nach dem Tod des Kaisers Maximilian nutzte er die Erschlagung eines württembergischen Dieners als Vorwand für einen Angriff auf Reutlingen. Es handelte sich um eine freie Reichsstadt, die sich der Herzog einverleiben wollte. Mit dem Angriff auf ein Mitglied des Schwäbischen Bunds (aus dem Ulrich bereits 1512 ausgetreten war) und der Belagerung brach er den Reichsfrieden. In der Folge wurde Ulrich verbannt und das Herzogtum Württemberg ging an die Habsburger: Der neue Kaiser Karl V. übernahm die Herrschaft und erzog auch den Thronfolger Christoph an seinem Hof.30

Erst 1534 gelang es Ulrich, sein Territorium zurückzuerobern und sich wieder fest als Herrscher zu positionieren. Infolgedessen führte er in Württemberg auch die Reformation ein, was sein Sohn Christoph fortsetzte.

5. Rezension

Cover des Romans "Der Getreue des Herzogs" von Johanna von Wild.
Johanna von Wild, Der Getreue des Herzogs, Gmeiner Verlag.

Ich kann es nicht oft genug betonen – die Vergangenheit der „eigenen“ Region kann so spannend sein! Nun bin ich zwar auf dem Papier keine Württembergerin mehr. Umso faszinierender war es aber, im historischen Zusammenhang von all den Orten zu lesen, die mir aus dem heutigen Alltag wohlbekannt sind. Denn rund ging es nicht nur im Roman: Johanna von Wild schafft es wieder, die fiktive Story in den größeren Zusammenhang einzubetten und die Protagonisten auf ganz natürliche Weise an den historischen Ereignissen teilhaben zu lassen.

Die Regentschaft von Herzog Ulrich fiel in eine Umbruchszeit, die nicht nur für Württemberg wichtig war – deshalb wird jeder historisch interessierte Leser seine Freude daran haben. Die Ränkespiele am Hof, die Sorgen und Nöte der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und natürlich die Dramatik der Bewegung rund um den Armen Konrad werden gut eingefangen. Johannes, der die Welt der Armen ebenso gut kennt wie jene der Bessergestellten, fungiert dabei als Bindeglied und kann beide Perspektiven aufzeigen. Mit seiner Zerrissenheit zwischen der Loyalität gegenüber Ulrich, dem Hass auf Ambrosius Volland und seinem Wunsch, Sophia zu finden, ist er eine interessante Figur.

Obwohl mir auch „Die Erleuchtung der Welt“ sehr gut gefallen hat, habe ich daran kritisiert, dass einige stereotype Elemente des historischen Romans enthalten waren. Das war bei „Der Getreue des Herzogs“ im positiven Sinne anders: Vielleicht, weil wir es hier mit einem männlichen Protagonisten zu tun haben, fand ich weniger Klischees darin. Natürlich ist Johannes‘ Aufstieg zur Vertrauensperson des Herzogs am Anfang ein wenig märchenbuchartig, und die obligatorische Liebesgeschichte hält keine zu großen Überraschungen bereit. Dennoch hat Johanna von Wild mit Johannes einen Lebensweg entworfen, der aus meiner Sicht so oder so ähnlich im 16. Jahrhundert geschehen sein könnte – insbesondere dank der vielen historischen Persönlichkeiten und der verbürgten Ereignisse, die den Roman anreichern.

Da diese sich über eine relative lange Periode hinweg ziehen, enthält die Geschichte einige Zeitsprünge, die ein wenig Distanz schaffen. Das macht aber nichts, denn das Buch überzeugt nicht durch die Emotionalität gegenüber den Charakteren, sondern durch die gelungene Schilderung der Regierungszeit Ulrichs von Württembergs.

Johanna von Wild: Der Getreue des Herzogs, erschienen im August 2020 im Gmeiner Verlag.

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  1. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 1.
  2. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 25.
  3. Es ist dabei umstritten, ob er tatsächlich an einer irgendwie gearteten „Geisteskrankheit“ litt oder nicht eher ausgeschaltet wurde, damit er den politischen Plänen Eberhards nicht in die Quere kommen konnte. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 25.
  4. Frasch, Werner: Ulrich von Württemberg. Herzog und Henker, Erfurt 2011, S.20.
  5. Herzog Ulrich von Württemberg von einem unbekannten Maler – eingescannt aus: Robert Uhland (Hrsgb.): 900 Jahre Haus Württemberg, 3. Aufl., Stuttgart, 1985, ISBN 3-17-008930-7, S. 121, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1992717, Zugriff am 31.10.2020.
  6. Frasch, Werner: Ulrich von Württemberg. Herzog und Henker, Erfurt 2011, S. 21-31.
  7. Frasch, Werner: Ulrich von Württemberg. Herzog und Henker, Erfurt 2011, S. 21-31.
  8. Schmauder, Andreas. Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad, Leinfelden-Echterdingen 1998, S. 51-52.
  9. Schmauder, Andreas. Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad, Leinfelden-Echterdingen 1998, S. 55.
  10. Schmauder, Andreas. Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad, Leinfelden-Echterdingen 1998, S. 60-61.
  11. Schmauder, Andreas. Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad, Leinfelden-Echterdingen 1998, S. 64-65.
  12. Veit Müller, AGD Markgröningen, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=33624362, Zugriff am 31.10.2020.
  13. Schmauder, Andreas. Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad, Leinfelden-Echterdingen 1998, S. 76-81.
  14. Schmauder, Andreas. Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad, Leinfelden-Echterdingen 1998, S. 109-110.
  15. Schmauder, Andreas. Württemberg im Aufstand. Der Arme Konrad, Leinfelden-Echterdingen 1998, S. 128-139.
  16. Hanna, Georg-Wilhelm: Mänade, Malefiz und Machtverlust. Herzog Ulrich von Württemberg von Hans von Hutten: politische Folgen eines Mordfalles, Köngen 2003, S. 25.
  17. Hanna, Georg-Wilhelm: Mänade, Malefiz und Machtverlust. Herzog Ulrich von Württemberg von Hans von Hutten: politische Folgen eines Mordfalles, Köngen 2003, S. 28.
  18. Zitiert nach Frasch, Werner: Ulrich von Württemberg. Herzog und Henker, Erfurt 2011, S. 59.
  19. Zitiert nach Frasch, Werner: Ulrich von Württemberg. Herzog und Henker, Erfurt 2011, S. 59.
  20. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S.34.
  21. Hanna, Georg-Wilhelm: Mänade, Malefiz und Machtverlust. Herzog Ulrich von Württemberg von Hans von Hutten: politische Folgen eines Mordfalles, Köngen 2003, S. 54.
  22. Hanna, Georg-Wilhelm: Mänade, Malefiz und Machtverlust. Herzog Ulrich von Württemberg von Hans von Hutten: politische Folgen eines Mordfalles, Köngen 2003, S. 55-56.
  23. Hanna, Georg-Wilhelm: Mänade, Malefiz und Machtverlust. Herzog Ulrich von Württemberg von Hans von Hutten: politische Folgen eines Mordfalles, Köngen 2003, S. 60-61.
  24. Flugblatt, aus: Helmut Schmid: „ain liebrey zu den büchern“. Die mittelalterliche Predigerbücherei der Nikolaikirche zu Isny (Kleinode; Bd. 7). Ravensburg 2000 (DNB), gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=20848323, Zugriff am 31.10.2020.
  25. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 39-42.
  26. Stich der Sabina von Bayern, dem Meister von Meßkirch zugeschrieben – eingescannt aus: Robert Uhland (Hrsgb.): 900 Jahre Haus Württemberg, 3. Aufl., Stuttgart, 1985, ISBN 3-17-008930-7, S. 122, gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1992729, Zugriff am 31.10.2020.
  27. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 44-49.
  28. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 51-53.
  29. Ambrosius Volland, Medaille von Christoph Weiditz, 1533, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=15866513, Zugriff am 31.10.2020.
  30. Brendle, Franz. Dynastie, Reich und Reformation. Die württembergischen Herzöge Ulrich und Christoph, die Habsburger und Frankreich, Stuttgart 1998, S. 72-78.

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