Das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg und die Religionspolitik
* Dieses Buch wurde mir als Rezensionsexemplar vom Verlag zur Verfügung gestellt. Der Themenschwerpunkt meines Artikels und der Inhalt meiner Rezension bleiben davon unberührt.
Jülich-Kleve-Berg, 1541. Dame Jolanda von Auerbroich hat ein Problem. Es heißt Walther von Doncerbusch, war ihr Verlobter und liegt mit aufgeschnittener Kehle im Garten eines Frauenklosters. Für Conrad Frankh gestaltet sich das Problem ähnlich. Nur, dass er nicht mit Doncerbusch verlobt, sondern in zwielichtigen Geschäften verbunden war. Unpraktischerweise halten sich beide zum Mordzeitpunkt im Kloster auf und müssen fortan zusehen, die Aufmerksamkeit der Ermittler von sich abzulenken, die eigentlich mit einer ganz anderen politischen Mission beschäftigt sind.
1. Jülich-Kleve-Berg um 1540
Die Handlung entfaltet sich in dem kleinen Herzogtum Jülich-Kleve-Berg, das sich auf dem Parkett der europäischen Politik behaupten muss und in dem fast jeder jeden kennt, besonders am Hof.
Dass das Gebiet des heutigen Deutschlands während des Mittelalters und der Vormoderne eines mit zahlreichen kleinen, zersplitterten Territorien war, dürften vielen inzwischen bekannt sein. Schon früh gab es daneben relative Großmächte wie Burgund, Frankreich und Habsburg, gegen die ein Zusammenhalt des Heiligen Römischen Reiches unabdingbar war. Zu den üblichen politischen Kabbeleien kam im 16. Jahrhundert auch noch der konfessionelle Konflikt hinzu.
Die Sache mit der Religion im Bergischen Land
Aus der Diskussion über eine Kirchenreform, die Martin Luther 1517 mit seinen 95 Thesen losgetreten hatte, entwickelten sich rasch verschiedenste protestantische Strömungen, und die nunmehr unterschiedlichen Glaubensrichtungen verschärften die politische Großwetterlage.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich kleinere Territorien bevorzugt mit gleichgesinnten Nachbarn vereinigten, um mehr Kraft und auch Einfluss im Reich zu erhalten. Das geschah auch im Bergischen Land, dem Schauplatz des Romans „Der Kaufmann und die Unbeugsame“ von Daniela Wander. Deshalb entstanden im 15. und zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg1, deren Herrscher mit ihrem komplexen Verwaltungsapparat zwischen den Residenzen in Kleve, Jülich und Düsseldorf hin und her zogen und vor allem wegen der wirtschaftlichen Stärke mit ihrem noch immer kleinen Territorium recht gut aufgestellt waren. Mit Burgund und Flandern, aber auch der freien Reichsstadt Köln, wurde reger Handel getrieben, der Rhein war dabei die Hauptverkehrsader.2
2. Ein soziales Gefüge?
Jolanda lebt schon seit über einem Jahrzehnt am Hof des Herzogs und zieht als Teil seines Gefolges durch die Gegend. Obwohl sich die Hofdamen schon lange kennen, bilden sich kaum tiefe Freundschaften. Zwar leben die Frauen auf engem Raum zusammen, aber die Konkurrenz ist zu groß, um einander wirklich zu vertrauen. Eine enge Bindung hat Jolanda zu ihrer Dienerin Susanna, die bedingungslos loyal ist. Und zu Siebert von Weehdorf, ihrem väterlichen Freund, der ihr mit Rat und Tat zur Seite steht. Ihr Vater bringt ihr wenig Liebe entgegen, für ihn gilt es nur, die bereits 25-Jährige endlich unter die Haube zu bringen.
Auch der Händler Conrad Frankh hat private Sorgen, denn er hat sich mit seinem Vater und Bruder heillos zerstritten und muss nun sehen, dass er sich mit seinem kaufmännischen Geschick rehabilitiert. Unpraktischerweise paktierte er mit Walther von Doncerbusch, um sich den ein oder anderen unlauteren Geschäftsvorteil zu verschaffen. Denn der Ermordete war ein hohes Tier am herzoglichen Hof.
Walther von Doncerbusch ist ebenso wie Jolanda, Conrad und einige andere eine fiktive Figur, aber im Roman kommen auch mehrere historische Persönlichkeiten vor. Allen voran natürlich die wichtigste Figur des Hofes, der Herzog selbst.
2.1. Die Herzogsfamilie von Jülich-Kleve-Berg und ihre Diener
Wilhelm V. übernahm 1539 die Herrschaft von seinem Vater Johann I. Der Wechsel war geprägt vom Konflikt um das Herzogtum Geldern, auf das sowohl Wilhelm als auch der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Karl V., Ansprüche erhoben.4 Zur Seite stand ihm seine konservative Mutter, Maria von Jülich, deren Heirat mit Wilhelms Vater die Vereinigung der Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg erst möglich gemacht hatte.
Im Dienste des Herzogs
Zwei sehr wichtige politische Akteure waren die Räte Johann Ghogreve und Johann von Vlatten. Beide waren am Hof von Jülich-Kleve-Berg tätig und wurden nacheinander zum Kanzler. Ghogreve hatte großen Einfluss auf die Kirchenordnung, die als Reaktion auf den Beginn der Reformation erstellt wurde, und ebenso wie von Vlatten war er in zahlreichen diplomatischen Missionen unterwegs. Beide waren äußerst einflussreich und prägend für die herzogliche Politik.
2.2. Fragile Bündnisse
Lukas Brunner ist ein aufstrebender Rechtsanwalt, der in der herzoglichen Kanzlei Karriere machen möchte. Dass er mit den Ermittlungen im Mordfall Doncerbusch beauftragt wird, sieht er als Chance, seine Vorgesetzten Ghogreve und von Vlatten zu beeindrucken. Fortan muss er seine Ansprüche, einerseits genau und fair zu arbeiten und andererseits schnell einen Schuldigen zu liefern, gegeneinander abwägen.
Jolanda kann indes nicht verhindern, dass der Hof ins Tratschen kommt. Sie selbst fühlt sich schlecht, weil sie den Tod ihres Verlobten, der alles andere als ein angenehmer Zeitgenosse war, nicht von Herzen betrauert. Was natürlich den Verdacht aufbringt, sie hätte ein Mordmotiv gehabt. Und bald muss sie erkennen, dass einige ihrer vermeintlichen Freundinnen sich gegen sie wenden. Es scheint fast, als wolle der halbe Hofstaat ihren Untergang. Und ihre zufällige Bekanntschaft mit dem Mercator Conrad Franckh, den sie interessanter findet, als es eigentlich schicklich ist, bringt sie in Bedrängnis. Denn die beiden laufen Gefahr, gemeinsam verdächtigt zu werden – andererseits ist sie auf seine Hilfe angewiesen, wenn sie den Verdacht irgendwie von sich abwenden will. Ein Skandal könnte sie die Gunst des Herzogs kosten und wäre eine Katastrophe für ihr persönliches Ansehen. Schließlich sollte sie Wilhelm eigentlich nach Frankreich begleiten, wohin der halbe Hofstaat für die bevorstehende Hochzeit des Herzogs reisen wird.
3. Die Konfessionspolitik von Wilhelm V.
Wie bereits erwähnt, spielte in jenem Jahrhundert die Religionszugehörigkeit eine vorrangige Rolle in der Politik. Noch unter der Herrschaft von Wilhelms Vater hatte sich die Reformation recht wenig bemerkbar gemacht, abgesehen von der zwischen 1534 und 1535 währenden Täuferherrschaft in Münster, die mit harten Strafen niedergestreckt wurde. Jülich-Kleve-Berg nahm in der Folgezeit eine relativ neutrale konfessionelle Haltung an. Wilhelm blieb auch wegen des Konflikts mit Kaiser Karl V. nicht treu katholisch, vermied es aber gleichzeitig, sich eindeutig dem Protestantismus zuzuwenden.6
Ein versuchter Mittelweg
Wilhelm V., der den Beinamen ‚der Reiche‘ erhielt, wollte sich zu keiner Glaubensform bekennen und versuchte seine ganze Herrschaftszeit über, eine relativ tolerante Religionspolitik zu verfolgen und sich beide Seiten gewogen zu halten. Seine Mutter etwa galt als sehr fromm im katholischen Sinne, gleichzeitig wurden den Reformatoren Zugeständnisse gemacht. Diese außergewöhnliche Haltung ist wahrscheinlich Wilhelms humanistischer Erziehung zuzuschreiben.
3.1. Humanistische Einflüsse
Das Bildungsideal der Renaissance war eines, das die Entwicklung des Individuums in den Vordergrund rückte und auf Basis christlicher Werte eine ganzheitliche Erziehung vorsah. Griechisch, Latein, die auf der griechischen und römischen Antike basierende Philosophie, aber auch die gerade entstehenden Naturwissenschaften gehörten zum Unterricht. Mit Konrad von Heresbach (der übrigens in meiner Heimatstadt Freiburg Professor für Griechisch war) erhielt der Herzog einen Lehrer, der ihm geschliffene Umgangsformen und eine gute Bildung ermöglichte.7 Diesen Erzieher hatte er vermutlich den Beamten von Vlatten und Ghogreve zu verdanken, die mit Heresbach gemeinsam studiert hatten.
Erasmus von Rotterdam ist überall
Ein Gelehrter, an dem man zu jener Zeit nicht vorbeikam, war Erasmus von Rotterdam. Er war einer der bedeutendsten Renaissance-Humanisten und beeinflusste andere Intellektuelle, etwa Thomas More in England. Brieflichen Umgang oder gar persönlichen Kontakt zu Erasmus zu pflegen, war ein wesentlicher Anspruch humanistisch gebildeter Fürsten, und Wilhelm V. war keine Ausnahme.8
Dabei war Erasmus selbst überhaupt kein Protestant. Er war und blieb katholischer Theologe und verließ etwa Basel, als sich die Reformation dort durchsetzte (er zog für einige Jahre nach Freiburg). Dennoch setzte er sich für ein tolerantes Miteinander ein und kritisierte selbst Missstände in der Kirchenpolitik. Er befürwortete Kompromisse anstatt der harten Abgrenzungen, die den kommenden Religionskriegen bereits vorauseilten. Bezeichnend ist, dass er auch unter einigen Anhängern der Reformation Ansehen genoss. Ihm war spitzfindige Ironie nicht fremd, und er betonte stets die Gemeinsamkeiten der Konfessionen, um auf eine Befriedung hinzuwirken. An humorvoller Selbstkritik als Theologe mangelte es ihm dabei nicht:
Mir scheint, die christliche Religion hat an und für sich eine gewisse Verwandtschaft mit der Torheit, verträgt sich hingegen unmöglich mit der Weisheit.10
Beständigkeit durch Einigkeit
Erasmus starb 1536, sein Einfluss blieb aber ungebrochen und man kann davon ausgehen, dass seine Ideen die ausgleichende Politik von Wilhelm V. mit hervorgebracht haben, welcher auch viele Humanisten in bedeutende Hofämter einsetzte und so abseits der eigentlichen Zentren dieser Strömung einen niederrheinischen Humanismus mit etablierte.11 Für den Zusammenhalt von Wilhelms Territorium, das ja doch recht zusammengestückelt war, scheint das eine unerlässlich wichtige Strategie gewesen zu sein. Eine religiöse Zersplitterung mit verfeindeten Lagern hätte seine Herrschaft erschwert, da jedes Teilgebiet eigene Verwaltungsstrukturen besaß und leicht gegen ihn hätte aufbegehren können. Dass im Herrschaftsapparat Humanisten eine wichtige Rolle spielten, die sich untereinander austauschen konnten, begünstigte wohl die Kompromissbereitschaft. So erzeugten die territorialen Strukturen in Jülich-Kleve-Berg gleichermaßen die Möglichkeit und die Notwendigkeit einer ‚erasmianisch‘ geprägten Politik. Gleichzeitig kann man diese als Erfolgsfaktor für die Beständigkeit des Gebietes sehen, die bis ans Lebensende von Herzog Wilhelm V. im Jahr 1592 andauerte.12
4. Heiratspolitik im Herzogtum Jülich-Kleve-Berg
Wie es nun schon in vielen meiner Artikel herauskam (und in fast jedem Roman für Herzschmerz und Konflikte sorgt), waren politisch oder dynastisch motivierte Heiraten bis in die Moderne hinein gang und gäbe. Je hochrangiger die Familie, desto schwieriger gestaltete sich die Partnersuche. Nachdem die Eltern von Herzog Wilhelm durch ihre Ehe erst für die Zusammenführung seiner Herzogtümer gesorgt hatten, wollte auch er sich möglichst günstige Verbindungen schaffen und suchte nach einträglichen Heiratsmöglichkeiten für seine Schwestern.
Sibylle von Kleve, Kurfürstin von Sachsen
Schon 1527, also zu Lebzeiten seines Vaters Johann III., war die älteste Schwester Sybille mit dem zukünftigen Herzog und Kurfürsten Johann Friedrich I. von Sachsen verheiratet worden.13 Hiermit band sich Jülich-Kleve-Berg an eine alte, angesehene Familie des Reiches. Gleichzeitig aber war der sächsische Herzog ein klarer Unterstützer der Reformation, und Sibylle sprach sich als sächsische Kurfürstin ebenfalls deutlich dafür aus. Obwohl sie bei der Hochzeit erst 15 war, hielt sie loyal zu ihrem Gatten und unterstützte ihn auch, als er später im Zuge des Schmalkaldischen Krieges in Gefangenschaft geriet.14
Anna von Kleve: Jülich-Kleve-Berg und die englische Heirat
Weitaus bekannter ist wohl das Heiratsprojekt mit England, das Wilhelm V. 1540 umsetzte. Auch Heinrich VIII. war ein Gegner des Kaisers, hatte sich aber ebenfalls nicht vollständig zum Protestantismus bekannt. So war ein Bündnis mit Jülich-Kleve-Berg, das konfessionell ähnlich in der Schwebe hing und darüber hinaus im Clinch mit Kaiser Karl V. lag, eine passende Partie. Wie viele wissen, war der englische König mit seiner Braut, die er nie zuvor leibhaftig gesehen hatte, nicht zufrieden, und bereits nach einem halben Jahr wurde die Ehe annulliert. Anna, die wohl daheim in Kleve trotz des gebildeten Bruders eine eher hausbackene Erziehung erhalten hatte, schaffte es dadurch, sowohl ihrem englischen Gemahl als auch dem Einfluss von Wilhelm zu entkommen und gelangte in England zu bemerkenswerter Unabhängigkeit.16 Wie ihr Schicksal mit dem berühmten Portrait von Hans Holbein zusammenhängt, beschreibe ich in diesem Artikel.
Wilhelm V. und seine französische Braut
Doch auch Wilhelm V. selbst nahm sich von den politischen Heiratsprojekten nicht aus. Für ihn sollte es eine französische Braut werden. 1541 zog er mit seinem Gefolge nach Frankreich (eben jene Reise, die auch im Roman kurz bevorsteht), um die erst 12-jährige Jeanne d’Albret zu heiraten, die von Geburt an Königin von Navarra und zudem die Nichte des französischen Königs Franz I. war (eine ihrer Vorfahrinnen war Charlotte d’Albret, die Ehefrau des notorischen Cesare Borgia).
Die Braut kam jedoch nie nach Jülich-Kleve-Berg, und weil sich Wilhelm V. nach den Anstrengungen des Geldrischen Erbfolgekriegs im Zuge des Friedens von Venlo dem Kaiser unterwerfen musste, wurde die französische Ehe nach einigen Jahren aufgelöst. 1546 heiratete Wilhelm eine Nichte von Karl V., Maria von Habsburg.19
Im Roman bekommen wir außer einigen Passagen über Wilhelms Mutter nichts von den Frauen aus der Herzogsfamilie mit, obwohl deren Heiraten Jolandas unglückliche Situation gewissermaßen spiegeln. Dafür freundet sie sich mit der (fiktiven) Blanchefleur an, die als Mätresse des Herzogs ebenfalls Gefahr läuft, nicht nach Frankreich mitreisen zu dürfen. Für Jolanda zählt nur noch ihr guter Ruf – Walther von Doncerbusch hatte sie nicht gemocht, aber ihr ist klar, dass sie einen anderen Ehemann finden muss. Sie kennt die Einschränkungen ihrer Zeit und hat nicht das Bestreben, einen völlig anderen Weg zu gehen.
Abseits der Heirat gab es zu jener Zeit kaum Möglichkeiten, als Frau eine sichere soziale Stellung zu haben. Eine Ausnahme war das Kloster – wie jenes in Gerresheim, in dem Jolanda zu Beginn des Romans Trost und Andacht sucht, bevor dort die Leiche ihres Verlobten gefunden wird.
5. Exkurs: Das Kloster Gerresheim
Die Familien in der Frühneuzeit waren kinderreich. Die Sterblichkeit war hoch, und so setzte man viele von ihnen in die Welt (außerdem war natürlich die Empfängnisverhütung weder sozial akzeptiert noch sonderlich zuverlässig). Erreichten viele von ihnen das Erwachsenenalter, erwuchs daraus eine finanzielle Belastung für die Familie. Bei den Söhnen kam die Problematik hinzu, dass man das Erbland unter ihnen aufteilen und damit zersplittern müsste, sodass viele Nachgeborene eine kirchliche Laufbahn einschlugen. Und Töchter kosteten ohnehin viel, denn um sie zu verheiraten, war es in den meisten Fällen nötig, sie mit einer angemessenen Mitgift auszustatten. Sie in ein Kloster eintreten zu lassen, wo sie versorgt waren, war also eine gängige Alternative.21
Eine seltene Aufstiegsmöglichkeit
Das Frauenstift Gerresheim war die älteste geistliche Einrichtung auf dem herzoglichen Territorium, die Gründung erfolgte im 9. Jahrhundert. Es häufte eine Menge Grundbesitz an und ihm standen adelige Damen vor, die so, als Äbtissinnen, eine seltene Karrieremöglichkeit erhielten, das Kloster nahm Züge einer Versorgungsanstalt an.23 Die im Roman vorkommende Amalie von Rennenberg ist 1525 bis 1554 als Äbtissin für das Stift Gerresheim belegt.
Später ordnete Herzog Wilhelm an, dass die adelige Vormachtstellung bewahrt und bürgerlichen Frauen der Eintritt ins Kloster verwehrt werden sollte. Gegen Ende des Jahrhunderts verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation des Stifts, anscheinend auch wegen fehlender Disziplin (eine Äbtissin trat gemeinsam mit dem Kölner Erzbischof zum Protestantismus über und heiratete ihn dann), es bestand jedoch bis zur Auflösung um 1800 fort.
6. Rezension
Ich lese inzwischen sehr gerne historische Krimis, da sie eine Abwechslung zu den anderen Romanen bieten und oft gut recherchiert sind. Auch Daniela Wander hat ihre Handlung in ein sehr interessantes historisches Setting eingebettet. Ich kenne kaum Geschichten, die in dem kleinen, aber doch bedeutsamen Herzogtum Jülich-Kleve-Berg spielen. Nur die durch ihre englische Heirat bekannte Anna von Kleve war mir ein Begriff, sodass mich „Der Kaufmann und die Unbeugsame“ sofort gereizt hat. Deshalb danke ich dem emons-Verlag herzlich für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
In der Tat kommen einige historisch verbürgte Personen vor, und den Hintergrund der politischen Ereignisse rund um Wilhelm V. und das alltägliche Leben am Hof und in der Stadt hat Daniela Wander gut und meines Erachtens authentisch dargestellt. Die Hauptfiguren sind fiktiv, passen sich aber problemlos in das restliche Gefüge ein. Ihre Persönlichkeiten sind nicht überkomplex, aber dennoch vielschichtig, sodass man sie gerne begleitet und ihnen Erfolg bei der Bewältigung ihrer Sorgen und Nöte wünscht. Besonders gefallen hat mir mal wieder eine Nebenfigur, die Dienerin Susanna, die am Rande des Geschehens eine schöne Entwicklung durchmacht.
Während viel Wert darauf gelegt wird, wie sich die Charaktere zueinander verhalten, fand ich die Handlung des Krimis nicht ganz so dynamisch. Jolanda und Conrad tappen selbst lange im Dunkeln, und zumindest für Jolanda ist es auch realistisch, dass sie aufgrund ihres Geschlechts und ihrer Stellung keine zu großen Handlungsmöglichkeiten hat. Das Versprechen des Klappentextes, dass Jolanda und Conrad „die Sache selbst in die Hand nehmen“, sah ich so allerdings nicht ganz erfüllt. Zwar tun sie sich nach langer Hilflosigkeit zur Aufklärung des Mordes irgendwann zusammen, das Ende war für mich aber dennoch mehr das Ergebnis einiger loser Ideen und weniger das von gezielten Ermittlungen. Die Spannung, die ich bei einem Krimi erwartet habe, kam dabei nicht so richtig auf. Außerdem hätte ich mir etwas mehr Aufklärung am Schluss gewünscht – Täter und Motiv wurden zwar aufgedeckt, aber zum tatsächlichen Tathergang und der Frage, wieso Doncerbusch nun ausgerechnet im Frauenstift sein Ende fand, hätte ich mir mehr Informationen erhofft. Manches hätte tiefer ausgearbeitet werden können, sodass ich finde, der Roman hätte ein paar Seiten mehr gut vertragen.
Vielleicht ist es auch eher die Bezeichnung ‚Kriminalroman‘, die mich zu etwas anderen Erwartungen verleitet hat. Nimmt man „Der Kaufmann und die Unbeugsame“ als historischen Roman an, in dem eben auch ein Mord vorkommt, wird eher ein Schuh daraus. Trotz einiger zu moderner Begriffe und Redewendungen hat mir die Lektüre Spaß gemacht, auch wenn die Geschichte (sowohl hinsichtlich der historischen Umstände als auch der Romanhandlung) noch mehr hergegeben hätte.
Daniela Wander: Der Kaufmann und die Unbeugsame, emons, 347 Seiten.
***
- Eine alternative Schreibweise ist ‚Cleve‘.
- Ehrenpreis, Stefan: Das Herzogtum Berg im 16. Jahrhundert, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 213-357, hier S. 213-215.
- Karte der Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, 1540, Bild von Ziegelbrenner, Source of Information: Putzger – Historischer Weltatlas, 89. Auflage, 1965; Westermanns Großer Atlas zur Weltgeschichte, 1969; Haacks geographischer Atlas. VEB Hermann Haack Geographisch-Kartographische Anstalt, Gotha/Leipzig, 1. Auflage, 1979; dtv-Atlas zur Weltgeschichte 1. Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution; 23. Aufl. 1989, ISBN 3-423-03001-1., CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10824732, Zugriff am 31.07.2018.
- Ehrenpreis, Stefan: Das Herzogtum Berg im 16. Jahrhundert, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 213-357, hier S. 270.
- Heinrich Aldegrever: Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg, vom Metropolitan Museum of Art an Wikimedia Commons gespendet, CC0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61137636, Zugriff am 31.07.2018.
- Ehrenpreis, Stefan: Das Herzogtum Berg im 16. Jahrhundert, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 213-357, hier S. 270-271.
- Schulte, Christian: Versuchte konfessionelle Neutralität im Reformationszeitalter. Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg unter Johann III. und Wilhelm V. und das Fürstbistum Münster unter Wilhelm von Ketteler (Geschichte 9), Münster 1995, S.18-19.
- Schulte, Christian: Versuchte konfessionelle Neutralität im Reformationszeitalter. Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg unter Johann III. und Wilhelm V. und das Fürstbistum Münster unter Wilhelm von Ketteler (Geschichte 9), Münster 1995, S.28-31.
- Hans Holbein: Erasmus von Rotterdam, 1523, Web Gallery of Art, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2319, Zugriff am 31.07.2018.
- Erasmus von Rotterdam: Das Lob der Torheit. Eine Lehrrede. Übersetzung aus dem Lateinischen und Nachwort von Kurt Steinmann (Manesse Bibliothek der Weltliteratur), Zürich 2002 (lat. Ersterscheinung 1512), S. 224-225.
- Ehrenpreis, Stefan: Das Herzogtum Berg im 16. Jahrhundert, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 213-357, hier S. 278-297.
- Smolinsky, Heribert: Erasmianismus in der Politk? Das Beispiel der vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg, in: Mout, Marianne (Hg.): Erasmianism: idea and reality, Amsterdam 1997, S. 77-89.
- Schulte, Christian: Versuchte konfessionelle Neutralität im Reformationszeitalter. Die Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg unter Johann III. und Wilhelm V. und das Fürstbistum Münster unter Wilhelm von Ketteler (Geschichte 9), Münster 1995, S.28-31.
- Artikel „Sibylle, Kurfürstin von Sachsen“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 34 (1892), S. 141.
- Lucas Cranach d. Ä.: Sibylle von Kleve als Braut, 1526, The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202.2. nevsepic.com.ua, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=149742, Zugriff am 31.07.2018.
- Ehrenpreis, Stefan: Das Herzogtum Berg im 16. Jahrhundert, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 213-357, hier S. 271-273.
- Hans Holbein: Anna von Kleve, ca. 1539, Web Gallery of Art, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=17285, Zugriff am 31.07.2018.
- Unbekannter Künstler: Jeanne d’Albret, Königin von Navarra, Digitale Bibliothek Gallica, ID btv1b10544063g/f1, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8341524, Zugriff am 31.07.2018.
- Ehrenpreis, Stefan: Das Herzogtum Berg im 16. Jahrhundert, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 213-357, hier S. 273-277.
- Tizian, möglicherweise aber auch Lambert Sustris: Karl V. um 1548, The Yorck Project (2002) 10.000 Meisterwerke der Malerei (DVD-ROM), distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH. ISBN: 3936122202, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=159544, Zugriff am 31.08.2018.
- Ehrenpreis, Stefan: Das Herzogtum Berg im 16. Jahrhundert, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 213-357, hier S. 223.
- Stiftskirche Gerresheim, Foto von Michielverbeek, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=35219696, Zugriff am 31.07.2018.
- Oepen, Joachim: Das Bergische Land – eine Klosterlandschaft?, in: Gorißen, Stefan/Sassin, Horst/Wesoly, Kurt (Hgg.): Geschichte des Bergischen Landes, Band 1. Bis zum Ende des alten Herzogtums 1806 (Bergische Forschungen 31), S. 141-186, hier S. 155-156.